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Ungarische Regierung setzt auf Spartipps der Bevölkerung

28. Januar 2004

- Europaparlament findet Budgetdefizit beunruhigend

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Budapest, 26.1.2004, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Das Europaparlament hat am Freitag (23.1.) die ungarische Regierung aufgefordert, dringende Schritte gegen das hohe Defizit im Haushalt und der Zahlungsbilanz zu unternehmen. Dies steht im Entwurf zum neuen Bericht über die Beitrittsländer, der jetzt in Straßburg vorgestellt wurde. Auf der Suche nach Ideen zur Umsetzung der angekündigten Einsparung von 120 Milliarden Forint (ca. 456,6 Millionen Euro – MD) hat die ungarische Regierung jetzt sogar eine kostenlose Telefon-Hotline geschaltet.

Der Fortschrittsbericht bemängelt, dass die Leistung der ungarischen Wirtschaft gefallen sei, die zuvor ständig zu den besten der Region gehört hatte. Immerhin merkt der Report positiv an, dass die Reform der zu langsam arbeitenden Justiz Fortschritte gemacht habe. In Bezug auf das Statusgesetz lobt der Bericht deren Reform und drängt auf die Fortsetzung des Dialogs mit Rumänien und der Slowakei.

Für Ungarn sind ausschließlich die Passagen zur Finanzlage alarmierend. Der designierte Finanzminister Tibor Draskovics hatte zwar vor rund einer Woche angekündigt, dass 120 Milliarden Forint an Ausgaben eingespart werden müssen, doch unklar ist weiter, wo dies geschehen soll. Unter einer Telefonnummer und auf der Homepage des Finanzministeriums können die Bürger ihre Spartipps äußern - ein bisher einmaliges Vorgehen. Etwa die Hälfte schlug vor, das 386 Abgeordnete starke Parlament drastisch zu verkleinern, die Bezüge der Politiker zu senken, die Unterstützung für die Parteien zu drosseln und den Fuhrpark der Ministerien gegen billigere Fahrzeuge auszutauschen.

Zu den weiteren Ideen der Bevölkerung zählen ein Rücktritt vom Kauf der schwedischen Gripen-Kampfjets, andere schlagen vor, dass der Staat nicht die Autobahn M5 kaufen solle. Auch weniger Unterstützung für die Kirchen oder die Verwendung von günstigen Linux- statt teuren Windows-Computerservern wurde angeregt. Über die Zahl der bisher eingegangenen Anrufe gibt es allerdings noch keine Angaben. Die Regierung bat auch den Landesrechnungshof, bei der Suche nach Einsparpotenzial zu helfen.

Inzwischen geht die Angst bei den Städten und Gemeinden um, dass sie wie so oft in den vergangenen Jahren vom staatlichen Rotstift betroffen sein könnten und weniger Zuwendungen aus dem Landesfinanzausgleich erhalten würden. "Der neue Finanzminister sollte endlich sagen, wo er sparen will, denn sonst können die Kommunen keinen Haushalt aufstellen", forderte Debrecens Bürgermeister Lajos Kósa auf einer Pressekonferenz.

Er warnte vor einer Reduzierung der Zahl der Staatsbeamten in den Städten und Gemeinden. "In vielen Bereichen gibt es bereits jetzt Personalmangel. Auf diese Weise kann man das Budget nicht kurieren." Dem stimmte Károly Szita zu, Vorsitzender des Fidesz (Bund Junger Demokraten – MD)-Kommunalausschusses: "Die Kommunen bekommen jetzt schon 100 Milliarden (ca. 380,4 Millionen Euro – MD) weniger, als sie benötigen." Bis zum 15. Februar müssen die Städte und Gemeinden ihren Haushalt verabschieden.

Der stellvertretende Fidesz-Fraktionsvorsitzende Antal Rogán schlug vor, dass Tibor Draskovics bereits auf der Parlamentssitzung am heutigen Montag (26.1.) vereidigt werden sollte - und nicht erst am 15. Februar. "Wir müssen mit dem Zustand aufräumen, dass wir zwei und doch keinen Finanzminister haben", sagte er. "Niemand betrachtet mehr Csaba László als Finanzminister, während Draskovics noch nichts tun kann." Die Sozialisten lehnten diese Idee allerdings ab. (fp)