1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ungarische Opposition verurteilt EU-Bedingungen

11. Dezember 2002

- Bericht vom Fidesz-Parteitag

https://p.dw.com/p/2z2a

Budapest, 11.12.2002, PESTER LLOYD, deutsch

"Nachdem Nationalsozialismus und der internationale Sozialismus die europäische Einheit zu Grunde richteten, muss sie wiederhergestellt werden", sagte Ex-Premier Viktor Orbán am Wochenende (7/8.12.) auf dem außerordentlichen Parteitag der Fidesz-Bürgerpartei. Orbán bezeichnete es als beispiellos, dass die neuen Mitglieder nur 40 Prozent der den alten Unionsländern ausbezahlten EU-Fond-Stützungen erhalten werden. Trotz dieser scharfen Kritik sind die oppositionellen Konservativen aber der Meinung, dass die Bedingungen zu akzeptieren sind und man beitreten müsse. Die folgenden Nachteile auszugleichen wäre Aufgabe einer nationalen Wirtschaftspolitik, die aber von der gegenwärtigen Regierung nicht zu erwarten sei.

Orbán leitete auch diesmal mit scharfen antikommunistischen Tönen seine sorgfältig aufgebaute Rede ein, in der harte Kritik Richtung Brüssel, Berlin und Paris nicht fehlte. Er erinnerte in einer Rückschau an die Enttäuschung Anfang der 90er Jahre, als man glaubte, dass Ungarn rasch in die EU aufgenommen werde. Faktisch habe dann das Land für die Aufnahme kämpfen müssen und schließlich war auch das "magere Angebot" der Bedingungen wiederum enttäuschend: "Diese sind schlechter, als man je gedacht hätte". Der Schröder-Chirac-Pakt sei darüber hinaus "mehr als besorgniserregend", was den Zeitraum nach 2006 betrifft. Orbán rief die Regierung auf, in der Frage der Agrar-Direktunterstützungen und Agrarquoten zu versuchen mehr zu erreichen und im Budget 2003 für Bauern, die Mittelschicht, Familien und Rentner Gelder freizumachen, sonst wird dem Beitritt bald bittere Enttäuschung folgen. Der Fidesz sei nicht prinzipiell gegen Multis, sagte Orbán, doch sei es nicht gleichgültig, wer diese Unternehmen in Ungarn wie führe, und ob diese bereit seien, auch nationale Interessen des Landes zu berücksichtigen. Der frühere Außenminister János Martonyi meinte: Es ist das erste Mal in der Geschichte der Union, dass neue Mitglieder unter ungleichen Bedingungen aufgenommen werden. Er sei nicht glücklich darüber, dass die Zusammenarbeit derart ernüchternd beginnt. Trotzdem sei er für die Annahme der Bedingungen, verbunden jedoch mit einer Folgepolitik, die nationale Interessen stärker zur Geltung bringt. Martonyis früherer Staatssekretär, Zsolt Németh, wusste zu berichten, dass die EU-Feindlichkeit unter der Bevölkerung "sturmartig zunehme", und auch, dass man die gesamte Problematik den regierenden und Sozialisten anlaste.

Unter dem Titel "Europa ist unsere Zukunft, Ungarn unsere Heimat" beschloss der Parteitag, ein vorgestelltes Programm zur europäischen Wiedervereinigung anzunehmen, das landesweit debattiert werden soll. Dieses umfangreiche Papier stellt die Interessen des Landes in den Vordergrund. Diesem zufolge wurden das Land und seine Wirtschaft nach der Wende in einer Geschwindigkeit und auf eine Weise international, die eine nationale Entwicklung überhaupt nicht mehr zuließ. Die "EU-Phorie" kaschierte die Tatsache, das der EU-Beitritt auch Teil der Globalisierung ist. Ungarn müsse daher zwischen nationalen Belangen bürgerlicher Entwicklung und europäischer Integration einen Balanceakt zustandebringen. Der Fidesz stehe in dieser Frage zur nationalen Einheit, innerhalb der Sozialisten könne man aber dabei nur mit einer an den Rand gedrängten Minderheit rechnen.

Der Denkschrift nach haben "westliche politische und wirtschaftliche Kreise die Einlässe gefunden, wo sie leicht in die ungarische Politik und Wirtschaft fanden und ihre Präsenz auch langfristig etablieren konnten". Es handelt sich um die wichtigsten Bereiche des Außenhandels, der Finanzen, des Eigentums, der Produktion. Während auf dem Finanzsektor 1993 der ungarische Anteil 80 Prozent betrug, sank dieser Ende der 90er Jahre auf 30 Prozent. In der Wirtschaft kam es zu einer beispiellosen Konzentration: Weniger als ein Prozent der Unternehmen bestreiten über die Hälfte des BIP. (...) (fp)