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Und an was glaubst du?

Karl-Heinz Heinemann / (pf)15. November 2002

Das Konzept des evangelischen oder katholischen Religionsunterrichts in Schulen greift nicht mehr. Der Grund: steigende Immigrantenzahlen und viele konfessionslose Schüler und Schülerinnen. Eine Bestandsaufnahme.

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Bild: AP

Die Multikulti-Gesellschaft ist eine Gesellschaft der vielen unterschiedlichen Glaubensrichtungen, und die beiden großen Kirchen in Deutschland, die katholische und die evangelische, werden mit ihren Unterrichtsangeboten der Situation nicht mehr gerecht.

Kreuz
Kreuz gegen SonnenuntergangBild: Freefoto

Immer mehr Kinder bleiben gerade in den ersten Schuljahren ohne Religionsunterricht. Sie werden daher nicht in die Grundlagen christlich-abendländischer Moral und Ethik eingeführt, erhalten nicht die Möglichkeit, etwas über die religiösen Traditionen lernen zu können und werden auf diese Weise nicht angeleitet, sich selbst eine eigene Position zu bilden. In Deutschland ist jedes dritte Großstadtkind heute weder katholisch noch evangelisch. In den ostdeutschen Großstädten sind die meisten Kinder konfessionslos, in Westdeutschland ist die Zahl der konfessionslosen Kinder geringer, dafür gibt es hier eine wachsende Gruppe muslimischer Kinder.

Neue Schulfächer für eine veränderte Gesellschaft

Mittlerweile gibt es in allen Bundesländern ein Fach namens "Ethik", "Philosophie", oder, in Brandenburg, "Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde", kurz LER. In den meisten westdeutschen Bundesländern gibt es dieses Fach erst in den weiterführenden Schulen, mal ab Klasse fünf, mal aber erst ab dem achten Schuljahr, wie in Baden-Württemberg oder im Saarland.

Kruzifix
Jesus Christus am KreuzBild: Bilderbox

In den westlichen Bundesländern wurde das Fach Ethik auf Betreiben der Kirchen eingeführt. Allen Ethiklehrplänen gemein ist die Absicht, Schülerinnen und Schüler zu einem kritischen Verständnis der Wertvorstellungen und Normen in der Gesellschaft zu führen und ihnen den Zugang zu philosophischen und weltanschaulichen Fragen zu öffnen. In den meisten Bundesländern wird außerdem das Augenmerk auf religionskundliche Grundkenntnisse gelegt. Im Unterschied zum Religionsunterricht ist die Vermittlung aber nicht an eine Religion gebunden, sondern bewusst bekenntnisoffen. Die Kirchen hingegen beharren auf dem Konfessionsprinzip ihres Unterrichts.

Ausbildung: Mit der Gesellschaft Schritt halten

Das Fach Ethik wurde lange Jahre stiefmütterlich behandelt. Bisher gibt es in den wenigsten Bundesländern eine organisierte Ausbildung für dieses Schulfach, und es fehlt an Lehrbüchern. In den ostdeutschen Bundesländern müsste praktisch in jeder Schule Ethikunterricht angeboten werden, weil dort die meisten Schüler und Schülerinnen konfessionslos sind und am traditionellen Religionsunterricht nicht teilnehmen müssen. Doch es fehlt an Lehrern und Lehrerinnen mit Unterrichtserlaubnis.

Die wachsende Gruppe der Muslime wird durch den Religionsunterricht ebenfalls nicht erreicht. Zwar gibt es schon eine Reihe von Versuchen, islamische Religionskunde einzuführen. Es gibt jedoch keine organisierte islamische Kirche und so wird der islamischen Religionskunde die Qualität des Religionsunterrichts abgesprochen. Mittlerweile haben viele Schulen einen Ausweg gesucht, der etwas an der Legalität vorbei geht: Im Einvernehmen mit den Eltern wird der Religionsunterricht an vielen Grundschulen von der Klassenlehrerin für alle Kinder gemeinsam erteilt. Selbst an Gymnasien hat sich das mittlerweile eingebürgert. Offiziell wird darüber allerdings nicht gesprochen, da es die Rechtsposition der Kirchen verletzen könnte.