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Unabhängigkeit als legitimes Ziel

Adelheid Feilcke-Tiemann16. November 2001

DW-Interview: Adelheid Feilcke-Tiemann sprach mit dem niederländischen Diplomaten Daan Everts, dem Leiter der OSZE-Mission im Kosovo, die federführend verantwortlich ist für Vorbereitung und Umsetzung der Wahlen.

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Friedlicher Wahlkampf im KosovoBild: AP

"Wir haben sehr vollständige Wähler-Register. Alle (ethnischen) Gemeinschaften sind gut vertreten. Und wir haben eine Menge Parteien, die wiederum alle diese Gemeinschaften vertreten. Und das ist sehr gut. Wir haben gute Wahlgesetze. Und es ist auch gut, dass sich die Parteien in diesem Wahlkampf anscheinend sehr demokratisch verhalten. So bin ich bis heute grundsätzlich ziemlich zufrieden."

Der Leiter der OSZE-Mission zeigt sich zufrieden mit dem bisherigen Wahlverlauf: Die technischen Vorbereitungen stehen und die Parteien haben sich - so Everts - an die Wahlregeln gehalten und ein gutes Maß an gegenseitiger Toleranz gezeigt. Mit der Koalition Povratak (Rückkehr) nimmt erstmals auch ein serbisches Bündnis an den Wahlen teil.

Appell an die Kosovo-Serben

Obwohl sich führende politische Vertreter der Serben im Kosovo gegen eine Wahlbeteiligung ausgesprochen haben, wird aufgrund einer ausdrücklichen Wahlempfehlung Belgrads und internationalen Drucks damit gerechnet, dass die innerhalb und außerhalb registrierten Serben überwiegend ihre Stimme abgeben werden. Auch OSZE-Vertreter Everts appelliert an die Kosovo-Serben:

"Ich hoffe, dass die Vernunft überwiegt und dass die Menschen sehen werde, dass trotz der sehr, sehr schwierigen Situation und ich muss sagen: für die Kosovo-Serben unakzeptablen Bedingungen in einigen Gegenden Kosovos - ich hoffe also, dass sie die Lösung ihrer Probleme in einer Teilnahme (an den Wahlen) sehen. Dass sie an den Wahlen teilnehmen und im späteren Parlament potenziell eine sehr große Rolle spielen werden."

Maximale Transparenz und Überwachung

Viel Unzufriedenheit hatte auf albanischer Seite im Kosovo eine Verlängerung der Registrierungsfrist ausgelöst, die rund 170.000 Serben und andere außerhalb Kosovos lebenden Minderheiten zur Registrierung nutzten. Aus albanischer Sicht ist die Zahl wahlberechtigter Serben nun unrealistisch hoch. Doch Everts weist die Vorwürfe zurück und betont, dass der Registrierungsprozess mit maximaler Transparenz und Überwachung erfolgt sei. Zu der Koalition Povratak (Rückkehr), dem einzigen Bündnis, das auf serbischer Seite am Wahlprozess teilnehmen wird, sagte Everts:

"Es handelt sich dabei um eine sehr junge politische Einheit.. Sie bietet den Kosovo-Serben grundsätzlich eine gute Option im Falle ihrer Wahl an. Deshalb sehe ich hier kein großes Problem. Denn es ist im Grunde nur eine Partei, die die Serben repräsentiert."

Minderheiten im Nachkriegs-Kosovo

Neben der albanischen Mehrheitsbevölkerung, von denen rund 900.000 registriert sind und der serbischen Gemeinschaft leben im Kosovo auch andere ethnische Minderheiten. Im Gegensatz zu den Serben, haben sich diese am Prozess der politischen Neugestaltung überwiegend problemlos beteiligt und bereits im vergangenen Jahren an den Kommunalwahlen teilgenommen. Everts bewertet die Lebensumstände dieser Minderheiten im Nachkriegs-Kosovo wie folgt:

"Grundsätzlich spüren diese Gruppen - Türken, Bosnier, Goraner, Roma und Ashkali und Ägypter - dass sich die Situation seit dem Krieg verbessert hat. Sie ist noch lange nicht perfekt und die Menschen brauchen bessere Bedingungen und die Achtung der Menschenrechte. Aber sie selbst spüren, dass es Fortschritte gibt, und deshalb haben sie sich entschlossen, an den Wahlen teilzunehmen. Sie haben ihre Parteien, einige haben mehrere und diese sind alle registriert. Wir sind glücklich zu sehen, dass die Wahlen alle diese kleineren Gemeinschaften einschließen."

Unabhängigkeit als legitimes Ziel

Der OSZE-Missionsleiter Everts war in den vergangenen Wochen selbst mehrfach ins Fadenkreuz der Kritik geraten, weil er angeblich für die Demokratische Liga von Ibrahim Rugova Partei ergriffen hatte. Auf die Frage, wie sich das Programm der Rugova-Partei "Freiheit - Unabhängigkeit - Demokratie" mit den Vorgaben der internationalen Strukturen im Kosovo vertrage, antwortet Everts:

"Jeder Politiker ist vollkommen frei, seine politischen Ambitionen auszusprechen. Und es ist kein Geheimnis, dass die Unabhängigkeit das Ziel - ich glaube - aller albanischen Parteien ist. Und das ist legitim. So wie eine andere Partei für Großalbanien oder Kosovo als serbische Provinz oder eine Republik ist. Alle diese Optionen sind auf dem Tisch. Hier gilt Freiheit der Gedanken und der politischen Ideen. Ich habe absolut kein Problem damit, dass Rugova sagt, er habe die Unabhängigkeit auf seiner Agenda."

Begrenztes Mandat des Kosovo-Parlaments

Doch im Gegensatz zu den Parteien und Medien, die während des Wahlkampfes den Aufbau des Kosovo-Parlaments häufig als Schritt zur Unabhängigkeit gedeutet haben, unterstreicht der OSZE-Missionschef, dass das Kosovo-Parlament nicht die Kompetenz haben werde, die Status-Frage zu klären.

"Der Punkt, den ich unterstreichen möchte, ist, dass das Parlament ein begrenztes Mandat haben wird, begrenzt auf innere Angelegenheiten. Themen wie Außenbeziehungen und Status-Frage sind reserviert für internationale Konsultationen und internationale Abkommen. Deshalb kann man den Wählern zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen, dass am Tag nach den Wahlen die Unabhängigkeit kommen wird. Dieser Prozess braucht Zeit und erfordert internationale Verhandlungen."