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UN-Preis für Bildungsarbeit in Somalia

Eric Segueda1. Oktober 2012

Der Nansen-Flüchtlingspreis des UN-Flüchtlingswerk UNHCR geht in diesem Jahr nach Somalia. Ausgezeichnet wurde Hawa Aden Mohamed, die in ihrem Land Bildungszentren für Flüchtlinge aufbaut.

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Potrait der UNHCR Preisträgerin Hawa Aden Mohamed aus Somalia (Foto: Rouven Brunnert/ UNHCR-Deutschland)
UNHCR Preisträgerin: Hawa Aden Mohamed aus SomaliaBild: UNHCR/F.Juez

Hawa Aden Mohamed war selbst einmal Flüchtling. Als in Somalia 1991 der Bürgerkrieg ausbrach, floh sie aus ihrer Heimat und fand Zuflucht in Kanada. Bleiben wollte sie jedoch nicht. "Eigentlich führte sie als Flüchtling in Kanada ein sehr bequemes Leben", erzählt Melissa Flemming, Sprecherin des UN-Flüchtlingswerks UNHCR in Genf. Aber Hawa Mohamed merkte, dass sie dort keine Hilfe für ihr Land sein könne. So entschied sie sich, zurück nach Somalia zu gehen.

Das war 1995. Obwohl der Bürgerkrieg in ihrer Heimat zu diesem Zeitpunkt noch wütete, gründete sie noch im selben Jahr ein Bildungszentrum in Kismayo in Südsomalia. Vier Jahre später entstand dann das zweite und bekanntere Bildungszentrum "Education Centre for Peace and Development GECPD" in Galkayo, im Nordosten des Landes. In den Zentren wird Flüchtlingen und Opfern von Gewalt Zuflucht gewährt und sie erhalten Bildungsangebote. In diesem Jahr werden insgesamt 800 Menschen im Rahmen dieses Projektes von Hawa Aden Mohamed ausgebildet.

Der Vertreter des UN-Flüchtlingskommissars in Somalia, Bruno Geddo, hat die Zentren besucht. "Dutzende Mädchen lernen dort Nähen und Schneidern - und zwar parallel zu einer normalen Schulbildung, die als Grundlage dient", sagt er.

In Somalia heißt sie Mama Hawa

Hawa Aden Mohamed, die heute 63 Jahre alt ist, hat keine eigenen Kinder. Aber sie hat viele Kinder aus ihrer Verwandtschaft und ihrer Nachbarschaft großgezogen. Deswegen nennt man sie in der Region auch "Mama Hawa". Bildung ist für sie die Grundvoraussetzung, um sein Leben selbst gestalten zu können: "Als Analphabetin hast du einen Verstand. Du kannst reden und kannst Schlechtes von Gutem unterscheiden. Aber das reicht nicht, um mit anderen auf Augenhöhe zu diskutieren und deine Rechte einzufordern."

Die Zentren in Kismayo und Galkayo nehmen hauptsächlich Frauen und Mädchen auf. Aber auch vertriebene Jungen werden dort zu Tischlern und Schweißern ausgebildet. Mama Hawa will so verhindern, dass sie sich kriminellen oder bewaffneten Gruppen in Somalia anschließen. Viele der Kinder haben auf der Flucht ihre Angehörigen verloren oder können von ihren Familien nicht versorgt werden. Für Melissa Flemming vom UNHCR sind die Zentren von Hawa Mohamed deshalb wichtige Anlaufpunkte für die Kleinen: "Sie essen, schlafen und arbeiten dort und sie sind in Sicherheit." Die Kinder könnten bleiben, so lange sie wollten. Wichtig sei vor allem, dass sie ihre Würde und ihr Vertrauen zurückgewinnen, um ein unabhängiges Leben führen zu können.

Karte Somalias (DW-Infografik)
Galkayo ist die Hauptstadt der Region Mudug

Gegen Beschneidung von Frauen

Laut Angaben der UN-Flüchtlingsorganisation sind ein Drittel aller 7,5 Millionen Somalier von Flucht und Vertreibung betroffen. Seit der Gründung ihres Projektes habe Mama Hawa mehr als 215.000 Menschen geholfen, wieder auf die Beine zu kommen und ein neues Leben aufzubauen.

Somalische Flüchtlinge in der Wüste (Foto: dpa)
Somalische Flüchtlinge in der WüsteBild: picture alliance/dpa

Mama Hawa setzt sich auch gegen weibliche Genitalverstümmelung ein. Das Schicksal ihrer eigenen Schwester, die nach der Beschneidung an einer Infektion starb, veranlasste Hawa, gegen die weit verbreitete Praxis zu kämpfen. Schätzungsweise 95 Prozent der somalischen Frauen sind beschnitten. Jessica Neuwirth, Leiterin der Nichtregierungsorganisation "Donor Direct Action" in den USA, arbeitet seit zehn Jahren mit Hawa Aden Mohamed zusammen. Sie schätzt sie als eine der engagiertesten Aktivistinnen, die sie kennt. "Sie ist eine Visionärin. Sie hat die Vision einer Welt ohne weibliche Genitalverstümmelung, in der alle Mädchen Zugang zu Bildung haben und ohne gewalttätige Übergriffe leben können", so Neuwirth.

Ganz Somalia freut sich

Den Preis nahm am Montag (01.10.2012) eine Schwester von Hawa Aden Mohamed in Genf entgegen. Die Preisträgerin selbst erholt sich zurzeit von einer Operation in einem kenianischen Krankenhaus.

Portrait Hawa Aden Mohamed (Foto: Rouven Brunnert/ UNHCR-Deutschland)
Hawa Aden Mohamed: "Ich sehe mangelnde Bildung als eine Art Krankheit"Bild: UNHCR/unhcr.de

Nachdem ihr Einsatz für die Rechte von Mädchen und Frauen zunächst Widerstand in ihrem Heimatland ausgelöst hat, wird Mama Hawa mittlerweile weitgehend von der somalischen Gesellschaft akzeptiert. Und so freuen sich viele Menschen in ganz Somalia mit ihr. "Der Sprecher des somalischen Parlaments hat dem UN-Flüchtlingskommissar mitgeteilt, dass sie Mama Hawa in der kommenden Sitzung des neuen Parlaments offiziell ehren werden. Mama Hawa verkörpert das Beste von Somalia", sagte der Vertreter des UN-Flüchtlingskommissars in Somalia, Bruno Geddo, und fügte hinzu: "Wir sind alle sehr stolz auf sie."

Der Nansen-Flüchtlingspreis ist die wichtigste Auszeichnung im Bereich der humanitären Hilfe und ist mit 100.000 US-Dollar dotiert. Benannt wurde er nach Fridtjof Nansen, dem ersten Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen.