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UN für rasche Neuwahlen in Tunesien

19. Januar 2011

Angesichts der instabilen Lage in dem nordafrikanischen Land nach dem Sturz des Ben-Ali-Regimes fordert die internationale Gemeinschaft rasche Neuwahlen. Die Übergangsregierung ist in schwere Turbulenzen geraten.

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Demonstranten in Tunis forden die Absetzung der Minister Ben Alis (Foto: dpa)
Demonstranten in Tunis fordern die Absetzung der Minister Ben AlisBild: picture alliance/dpa

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich am Dienstag (18.01.2011 – Ortszeit) in New York besorgt über die anhaltende Gewalt in Tunesien und forderte, dass alles unternommen werde, um Frieden und Stabilität wiederherzustellen. Notwendig sei, dass die Übergangsregierung den Weg zu "rechtzeitigen und glaubwürdigen Wahlen" freimache, bei der die Tunesier frei über ihre künftige Führung entscheiden könnten, erklärte ein Sprecher Bans.

Auch US-Präsident Barack Obama forderte ein Ende der Gewalt in Tunesien. Die Übergangsregierung müsse die Menschenrechte beachten und freie und faire Wahlen vorbereiten, sagte Obama in einem Telefongespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak.

Kritik an Übergangsregierung

Ministerpräsident Ghannouchi (Foto:AP)
Ministerpräsident GhannouchiBild: AP

Hoffnungen auf eine Stabilisierung der Lage in Tunesien hatten am Dienstag einen Rückschlag erlitten. In Tunis und anderen Städten demonstrierten Tausende gegen die Übergangsregierung, in der Gefolgsleute Ben Alis Schlüsselpositionen einnehmen. In Tunis setzte die Polizei Tränengas und Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein.

Als Reaktion auf die Proteste erklärten drei erst am Montag berufene Minister der Übergangsregierung ihren Rücktritt. Es handelt sich um Vertreter der Gewerkschaft UGTT. Der Oppositionspolitiker Mustapha Ben Jaafar von der Partei "Demokratisches Forum für Arbeit und Freiheiten" – FDTL – lässt sein neues Ministeramt ruhen.

Premier verläßt Ben-Ali-Partei

Regierungschef Mohammed Ghannouchi und Übergangspräsident Foued Mebazaa erklärten ihren Austritt aus der ehemaligen Regierungspartei RCD, mit deren Hilfe der geflüchtete Staatschef Zine el Abidine Ben Ali Tunesien 23 Jahre lang beherrscht hatte. Zugleich verteidigte Ghannouchi den Verbleib von sechs Ministern des gestürzten Regimes im Kabinett. "Sie haben saubere Hände", sagte er dem französischen Sender Europe 1. Sie hätten ihre Posten behalten, weil das Land sie jetzt brauche. Unter anderem haben die Minister für Finanzen und Inneres sowie der Außenminister ihre Ämter behalten.

Oppositionspolitiker Marzouki wird von Anhängern gefeiert (Foto: AP)
Oppositionspolitiker Marzouki wird von Anhängern gefeiertBild: AP

Der Oppositionelle Moncef Marzouki , der als erster seine Kandidatur bei der angekündigten Präsidentschaftswahl erklärt hatte, kehrte aus dem französischen Exil nach Tunesien zurück. Er forderte einen Prozess gegen den früheren Machthaber Ben Ali und dessen Auslieferung durch Saudi-Arabien. Dorthin war der 74-Jährige zusammen mit Familienangehörigen am Freitag (14.01.2011) vor dem Volksaufstand geflüchtet. Marzoukis Partei CPR (Republikanischer Kongress) war unter Ben Ali verboten und ist nicht an der Übergangsregierung beteiligt.

Berlin für Sperrung der Konten

Die deutsche Regierung tritt für Sanktionen der EU gegen Ben Ali und seinen Familienclan ein. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer (FDP), sagte dem Berliner "Tagesspiegel", Ben Ali und seine Vertrauten dürften in EU-Ländern keinen Zugriff auf ihr Vermögen oder eine Zufluchtsmöglichkeit erhalten. Die EU dürfe "keinen sicheren Hafen für veruntreutes Staatsvermögen" bieten. Sollten dafür Maßnahmen wie Einreiseverbote und Kontensperrungen notwendig sein, werde die Bundesregierung dies unterstützen, erklärte Hoyer.

Ben Ali und seine Familie sollen Millionen beiseite geschafft haben. Vor allem die zweite Frau des gestürzten Präsidenten, Leila Trabelsi, gilt als berüchtigte Kleptokratin. Nach einem Bericht der französischen Zeitung "Le Monde" ließ Leila Trabelsi bei der Flucht nach Saudi-Arabien 1,5 Tonnen Gold aus der Zentralbank mitgehen. Zwar dementierte die Zentralbank dies, die neue Übergangsregierung feuerte allerdings als eine ihrer ersten Amtshandlungen den Gouverneur der Bank.

Autor: Michael Wehling (dpa/rtr/dapd/afp)
Redaktion: Stephan Stickelmann