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Politik

UN besorgt über "strukturellen Rassismus" in Deutschland

Daniel Pelz
27. Februar 2017

Viele Menschen afrikanischer Herkunft begegnen in ihrem Alltag Vorurteilen, Diskriminierung und Hasskriminalität. UN-Experten schlagen Alarm und fordern von der Bundesregierung Taten. Aus Berlin berichtet Daniel Pelz.

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Deutschland Grenzkontrolle - Registrierung
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Es geschah, als Oumar Diallo nach einem Spanien-Urlaub wieder in Deutschland landete: "Ich war der einzige Schwarze im Flugzeug. Alle, mit denen ich die Reise gemacht habe, waren Deutsche. Und ich war die einzige Person, die von der Polizei am Flughafen kontrolliert wurde", erzählt er im DW-Interview.  Die Kontrolle habe nichts mit seiner Hautfarbe zu tun, sagten ihm die Polizeibeamten. Diallo kommt ursprünglich aus Guinea. Seit mehr als 20 Jahren lebt er in Berlin.

Doch seine Erfahrung ist kein Einzelfall. Die UN-Expertenkommission für Menschen afrikanischer Herkunft sei "äußerst besorgt" über die Diskriminierung in Deutschland, sagte ihr Vorsitzender Ricardo Sunga am Montag in Berlin. Sieben Tage war das UN-Team in Deutschland zu Besuch. 

In ihrem Alltag erlebten Menschen afrikanischer Herkunft Rassismus, Vorurteile und Hasskriminalität, sagte Sunga bei der Vorstellung des Zwischenberichts der Kommission. "Sie haben Angst um ihre Sicherheit und meiden bestimmte Gegenden. Sie sind das Ziel rassistischer Diskriminierung von ihren Klassenkameraden, Lehrern, Arbeitskollegen und des strukturellen Rassismus der Regierung und des Justizapparates", so Sunga.

Kommission fordert Abschaffung des "racial profiling"

Als Beispiel für strukturellen Rassimus nennt die Kommission das sogenannte"racial profiling". Möglicherweise wurde auch Oumar Diallo bei seiner Kontrolle am Berliner Flughafen Opfer der umstrittenen Praxis. Danach kontrolliert die Polizei Menschen anhand bestimmter Merkmale wie Hautfarbe, Religion oder Nationalität. "Racial profiling" sei in Deutschland weit verbreitet, auch wenn es von offizieller Seite geleugnet würde, so die Kommission. "Personenkontrollen und Durchsuchungen durch die Polizei richten sich meistens gegen Minderheiten, einschließlich Menschen afrikanischer Herkunft. Gerade junge Männer erleben tägliche Konfrontationen mit Vollzugsbeamten mit dem hohem Risiko einer Festnahme", beklagte UN-Vertreter Sunga.

Zwei UN-Kommissionsmitglieder stellen den Bericht in Berlin vor. Vor ihnen sitzen Journalisten, unter anderem ein Zuhörer mit einer bunten Kopfbedeckung.
Kommissionschef Ricardo Sunga (rechts) stellte den Bericht der UN-Experten in Berlin vorBild: picture alliance/dpa/B. von Jut

63 Prozent aller Deutschen halten "racial profling" aus Sicherheitsgründen für notwendig. Die Kommission aber plädiert für eine Änderung des Bundespolizeigesetzes, um diese Praxis abzuschaffen. Zudem müsse es effektive Beschwerdemechanismen für Betroffene geben. Bisher hätten Beschwerden kaum eine Chance.

Bei ihrem Deutschland-Besuch sprach die Kommission mit Regierungsvertretern, Abgeordneten und Mitgliedern verschiedener Landesregierungen. Zudem trafen die UN-Experten auch Vertreter der Zivilgesellschaft. Sie beklagen den Alltagsrassismus, dem viele Menschen mit afrikanischen Wurzeln ausgesetzt seien.

"Die Vorurteile gehen so weit, dass man den Job nicht gut machen könnte und daher gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, oder das man auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt wird", sagt die Studentin Karen Taylor im DW-Interview. "Es gibt Punkte, die sich durch den ganzen Alltag ziehen." Taylors Eltern stammen aus Ghana. Sie engagiert sich bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD).

Auf der "untersten Stufe" der deutschen Gesellschaft?

"Menschen afrikanischer Herkunft stehen in der deutschen Gesellschaft auf der untersten Stufe", stellte Kommissionschef Sunga im Zwischenbericht fest. "Sie bekommen Jobs, die sonst niemand will. Zum Beispiel putzen sie Toiletten. Menschen afrikanischer Abstammung versinken in Armut und Depression."

UNO untersucht Rassismus in Deutschland

Die Kommission fordert daher einen nationalen Aktionsplan, um die Lage von Afrikanern zu verbessern. Mehr Menschen afrikanischer Abstammung sollen in den öffentlichen Dienst übernommen werden. Auch soll die Diskriminierung im Bildungssystem entschiedener bekämpft werden. Zudem soll sich Deutschland stärker mit seiner Kolonialvergangenheit auseinandersetzen. Die UN-Experten fordern unter anderem, Vertreter der Herero und Nama-Völker stärker in die Verhandlungen über die Aufarbeitung des Genozids in der früheren deutschen Kolonie einzubinden.

Oumar Diallo leistet derweil seinen eigenen Beitrag dafür, dass Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland anders wahrgenommen werden. Schon 1993 hat er eine Begegnungsstätte in Berlin gegründet. Im "Afrika-Haus" finden Diskussionsveranstaltungen, Konzerte oder Lesungen über Afrika statt. So sollen Deutsche merken, welche wichtige Rolle Afrikaner spielen, so Diallo: "Wir sind eine Bereicherung, eine Chance für dieses Land. Das ist mein Ansatz."