1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Völlig verwässert?

27. September 2016

Deutschland tritt gern als Vorreiter beim Klimaschutz auf. Noch vor der nächsten UN-Klimakonferenz soll der Klimaschutzplan 2050 fertig sein. Peinlich nur, dass die Umweltverbände daran kaum ein gutes Haar lassen.

https://p.dw.com/p/2QdL7
Greenpeace-Demonstration gegen CO2 vor dem Kanzleramt
Bild: Paul Langrock/Greenpeace

An schwungvollen Reden mangelt es nicht: Am Dienstag trafen sich zahlreiche Umwelt-und Klimaexperten im Auswärtigen Amt in Berlin. Thema: Wie steht Deutschland da im internationalen Klimaschutz, wie präsentiert sich das Land auf dem nächsten Klimatreffen der Vereinten Nationen im November in Marrakesch? Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer (CDU), versicherte, die Bundesregierung arbeite derzeit "mit Hochdruck und Nachdruck" an der Umsetzung der Ziele des globalen Klimaschutzabkommens, das im vergangenen Jahr bei der UN-Klimakonferenz in Paris beschlossen worden war.

"Deutlich unter zwei Grad"

Damals waren alle UN-Staaten verpflichtet worden, nationale Klimapläne vorzulegen, die mithelfen sollen, die Erderwärmung "deutlich unter zwei Grad" zu begrenzen. Das halten Wissenschaftler gerade noch für tolerierbar, ohne dass die Ökologie des Planeten vollends aus dem Gleichgewicht gerät.

In Deutschland heißt dieses Versprechen "Klimaschutzplan 2050". Um in Marrakesch gut dazustehen, soll dieser Plan möglichst noch vorher - also bis Anfang November - verabschiedet werden. Problem dabei: Die großen deutschen Umweltverbände halten den Plan für inhaltsleer und schwammig. Der Anhörung dazu im Umweltministerium blieben sie aus Protest fern. Auf Ministerin Barbara Hendricks (SPD) wären sie dort ohnehin nicht gestoßen, sie befindet sich gerade auf einer Afrika-Reise.

Deutschland Kohlekraftwerk in Lippendorf
Hauptverursacher von Klimagasen in Deutschland: Kohlekraftwerke Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

"Weder zustimmungsfähig noch glaubwürdig"

Greenpeace, der WWF, der "Bund für Umwelt-und Naturschutz in Deutschland" (BUND) und der "Naturschutzbund Deutschland" (NABU) veröffentlichten eine Erklärung. Darin heißt es: Der Regierungsentwurf stehe "nicht in Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens". Der Plan sei "weder zustimmungsfähig noch glaubwürdig, er setzt weder ehrgeizige Ziele noch sieht er starke Maßnahmen vor".

Ein guter Klimaschutzplan müsse zumindest die klare Festlegung enthalten, die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2050 um 95 Prozent zu verringern, verglichen mit dem Stand von 1990, verlangen die Umweltverbände. Zudem müsse es konkrete Minderungsziele für einzelne Wirtschaftssektoren geben. Um das zu untermauern, schickten die Umweltgruppen ihren Brandbrief in Kopie auch gleich an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Plan stark abgemildert

Tatsächlich war der ursprüngliche Plan der Umweltministerin in vielen Bereichen stark abgemildert worden, vor allem durch Gabriel und durch Merkels Kanzleramt. Brisant dabei: Beide, Kanzlerin und Vizekanzler, wissen eigentlich, wie schwer es ist, Umweltbelange gegen mächtige Wirtschaftsinteressen durchzusetzen, waren sie doch beide früher einmal Umweltminister.

In einem ersten Entwurf hatte Hendricks noch formuliert, die Verstromung der Kohle - Hauptverursacher von Treibhausgasen in Deutschland - müsse deutlich vor 2050 beendet werden. Nachdem das Papier im Wirtschaftsministerium gegengelesen worden war, fehlt nun dieser Zeitbezug. Und beim Kapitel "Heizen von Wohnungen und Verkehr" hatte Hendricks gefordert, man müsse prüfen, "inwieweit zusätzliche Abgaben auf Kraftstoffe und Heizstoffe" nötig seien. Diese Passage fehlt, nachdem das Kanzleramt den Rotstift angesetzt hatte.

Ministerium kann die Empörung verstehen

Die Empörung der Umweltgruppen darüber können die Experten des Umweltministeriums durchaus verstehen: "Ich habe Verständnis dafür, dass Umweltverbände von der Bundesregierung einfordern, den guten internationalen Ergebnissen von Paris auch national Taten folgen zu lassen", sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth in einem Zeitungsinterview. Vielleicht hat er sich dabei auch an seine eigene Vergangenheit erinnert: Vor vielen Jahren war Flasbarth selbst einmal Vorsitzender einer Umweltgruppe des NABU.