1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Umstrittene Flick-Schau eröffnet

Cornelia Rabitz / kas/arn21. September 2004

Berlin zeigt ab September die Kunstsammlung der Industriellen-Familie Flick. Auf deren Geschichte lastet ein schweres Erbe: Viele Bilder wurden mit Geld gekauft, das während des Nationalsozialismus verdient wurde.

https://p.dw.com/p/5QEP
Der Enkel und die "umstrittene" KunstBild: AP

Die "Friedrich Christian Flick-Collection" gilt als eine der
hochkarätigen Sammlungen zeitgenössischer Kunst: 2500 Werke bedeutender Künstler hat der Mäzen im Laufe der Jahre zusammengetragen. Sie sollen nun nicht länger in Tresoren und Archiven verborgen bleiben, sondern werde nun in Berlin der Öffentlichkeit gezeigt. Zuvor hatte der kunstfreudige Millionär seine Preziosen lange Zeit vergeblich angeboten. Der Grund: die Familiengeschichte der Flicks.

Nationalsozialistische Kapitel

Friedrich Flick vor dem Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg
Eine milde Strafe für Friedrich Flick beim Kriegsverbrechertribunal in NürnbergBild: Getty Images/Keystone

Die Dynastie der Flicks personifiziert nicht nur ein Stück deutscher Industriegeschichte, der Name steht auch geradezu symbolhaft für eine schreckliche und menschenverachtende Verbindung von Wirtschaftsunternehmen und Diktatur. Der Konzerngründer Friedrich Flick ließ schon in den frühen 1930er Jahren der Nationalsozialistischen Partei NSDAP Millionenbeträge zukommen und war Adolf Hitlers größter Rüstungslieferant.

Flick erwarb zudem einen Teil seines Riesenvermögens durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und durch die "Arisierung", die verbrecherische Enteignung jüdischen Besitzes während der NS-Zeit. 1947 wurde er deswegen in einem der Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg zu sieben Jahren Haft verurteilt, kam vorzeitig frei und baute den Konzern wieder auf.

Schon 1960 war Flick wieder einer der reichsten Männer Deutschlands. Er sah sich stets zu Unrecht kritisiert. Bis zu seinem Tode 1972 weigerte er sich, auch nur die geringste Entschädigung an die überlebenden ehemaligen Zwangsarbeiter zu zahlen. Seiner Familie hinterließ Flick Senior ein großes Erbe, aber auch die Nachkommen
lehnten es ab, dem von der Bundesregierung und der Wirtschaft gegründeten Zwangsarbeiterfonds 2001 beizutreten.

Das schwierige Erbe

Flick- Affäre
Friedrich Karl Flick (links) und der frühere Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch (Archivaufnahme)Bild: AP

Der Sohn des Konzerngründers, Friedrich Karl Flick, bezeichnete sich zuweilen gern als "bekennender Steuerflüchtling". Er lebt hochbetagt in Österreich und gilt als einer der reichsten Männer des Landes. Nach einer aktuellen Statistik der sozialdemokratischen "Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung" hält der Unternehmer über seine Flicksche Privatstiftung in Österreich ein Vermögen von rund 6,1 Milliarden Euro.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob die Flick-Sammlung argumentativ noch zu retten ist.

Friedrich Christian Flick
Die Enkel-Generation: Friedrich Christian Flick 2001 in ZürichBild: AP

Enkel Friedrich Christian hat mit seinem glamourösen Jet-Set-Leben jahrelang die Spalten der Regenbogenpresse gefüllt. Der Sammler will nun mit der Ausstellung seiner "dunklen Familiengeschichte" einen "hellen Akzent" hinzufügen.

Bedeutende Museen in Zürich, London, München und New York haben es abgelehnt, die Flick-Sammlung auszustellen. Aber ausgerechnet Berlin ließ sich darauf ein: Ab 22. September 2004 werden die Bilder im Museum für Gegenwart "Hamburger Bahnhof" gezeigt. Für die siebenjährige Leihgabe der Kunstwerke hatte Flick den Umbau einer Ausstellungshalle finanziert.

Der Landesregierung Berlins geht es offenkundig darum, ein weiteres spektakuläres Kulturereignis in die finanziell angeschlagene, von wirtschaftlichen Problemen gebeutelte Metropole zu holen. Auch auf allerhöchster Ebene zeigte man sich über Flicks Sammlung sehr erfreut. Bundeskanzler Gerhard Schröder selbst adelte den
Industriellen-Enkel mit einer Einladung in seinen Amtssitz, wo man über Kunst diskutierte. Kanzler Schröder war auch bei der Ausstellungseröffnung zugegen.

Die Überlebenden des Nazi-Terrors und ihre Angehörigen sind darüber nicht erfreut. Der stellvertretende Präsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, sprach in einem offenen Brief davon, dass die Kunstsammlung mit "Blutgeld des Großvaters" erworben wurde. Andere argumentierten dagegen, der Enkel sei nicht für die Untaten des Großvaters verantwortlich. Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) ließ wissen, die Kunst lasse sich nicht als "Geisel" für die Flicksche Familiengeschichte nehmen. "Gerade weil wir die Kunstsammlung nicht wegschließen, ermöglichen wir eine Debatte zu den Fragen der Vergangenheitsbewältigung", ergänzte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann.

Familienstreit öffentlich gemacht

Das Münchener Institut für Zeitgeschichte soll eine historische Studie der Flicks anfertigen und im Sommer 2004 ist auch noch ein Familienstreit der Flick-Enkel öffentlich geworden: Die Schwester des Kunstmäzens, Dagmar Ottmann, forderte in einem offenen Brief in der Wochenzeitung "Die Zeit" ein Moratorium für die Ausstellung. Erst müsse die Firmen-Geschichte aufgearbeitet werden. Damit wolle sie klar stellen, dass weder sie noch andere Familienmitglieder das Ausstellungsprojekt in der jetzigen Form gut heißen.

Die 1952 geborenen Literaturwissenschaftlerin warf der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor, kein Verständnis für die Kritik von NS-Opfern an der Kunstschau zu haben. Zahlreiche mahnende Briefe aus dem Ausland seien inhaltlich nicht beantwortet worden. Sie könne die Opfer und ihre Angehörigen verstehen, wenn der Name Flick sie an früheres Leid erinnere. Eine einfache Leihgabe ohne eigene Ausstellung mit Namenstitel wäre der bessere Weg gewesen.