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Um die ganze Welt gelesen

Michael Brückner13. September 2002

"Berlinale der Literatur" oder ein Fest nach dem Prinzip Wundertüte? Das 2. Internationale Literaturfestival Berlin überrumpelt die Hauptstädter geradezu mit über 250 Veranstaltungen in zehn Tagen.

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Enthusiasten am WerkBild: Leo Seidel

Ein Lesung in Kannada gefällig? Diese indische Sprache macht übrigens auch gedruckt einen wunderschönen Eindruck. In Berlin kann man dieser Tage fast rund um die Uhr Literatur aus der ganzen Welt erleben. Und das nicht nur in Lesungen, sondern mit einem Rahmenprogramm aus Filmen, Diskussionen, Performances, Partys und geistesgeschichtlichen Stadtführungen.

Aus über 50 Ländern sind mehr als 100 Autoren angereist, Berliner Hotels beherbergen viele von ihnen kostenfrei. Das durch Bertolt Brecht weltberühmt gewordene Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm stellt sein Haus als Veranstaltungszentrum zur Verfügung.

Der schon lange als Nobelpreiskandidat gehandelte Breyten Breytenbach aus Südafrika, der italienische Bestsellerautor Alessandro Baricco, Asia Djebar aus Algerien, U. R. Ananthamurthy aus Indien, Edwar Al-Kharrat aus Ägypten oder die in Brasilien hochverehrte Kinderbuch-Autorin Anna Maria Machado sind nur ein paar der bekannteren Festivalgäste. Es sollen aber auch ganz bewusst in Deutschland und Europa noch kaum bekannte Literaten vorgestellt werden.

Themen über Themen

Alleine der Katalog ist ein weltumspannender Almanach der Sprachen und der Sprach-Kulturen. Auf 430 Seiten werden die teilnehmenden Autoren und Künstler des Festivals porträtiert und stellen sich mit einer kleinen Probe ihres Könnens selbst vor. Ein Schwerpunkt ist dieses Jahr Spanien, obwohl man von einem Schwerpunkt bei den vielen anderen Unterprogrammen dieser dichtgefüllten zehn Tage eigentlich gar nicht sprechen kann. Als Themenblöcke werden angeboten: Literaturen der Welt, Internationale Kinder und Jugendliteratur, Junge Autoren aus Italien (was dem Festival einen rund um die Uhr geöffneten Illy-Café-Stand auf dem Platz vor dem Berliner Ensemble beschert hat), Literaturverfilmungen und ein musikalisches Rahmenprogramm machen aus dem Festival ein Happening der Weltkultur oder einen monströsen Gemischtwarenladen derselben. Kritiker vermissen die akademisch klare Linie, ein verbindliches Konzept. Aber das Erfolgsprinzip dieser Veranstaltung war schon beim ersten Mal das breite Angebot und ein die ganze Welt umfassender Enthusiasmus der Organisatoren.

Enthusiasmus pur

Der Mann von dessen Energie und Überzeugungskraft das ganze Projekt lebt, heißt Ulrich Schreiber. Der Gründer und Leiter des Internationalen Literaturfestivals war ursprünglich einmal Architekt und Bauingenieur, aber schon seit Studententagen ist er von Literatur nicht nur begeistert, sondern mit vielen in diesem Bereich heute einflussreichen Persönlichkeiten befreundet. Ende der Neunzigerjahre gab er seinen erlernten Beruf auf, um sich ganz seiner Vision eines Literaturfestivals hinzugeben. Drei Jahre lang suchte er Sponsoren und Mitstreiter, vor einem Jahr im Juni startete das erste Festival und war jedenfalls beim Publikum ein Riesenerfolg.

Fast wäre es bei dem einen Mal geblieben. Die Finanzierung stand noch vor wenigen Wochen auf sehr wackligen Beinen. Verdienen kann hier niemand etwas, selbst das Leitungsteam bekommt ein eher symbolisches Taschengeld und ohne die über 70 Praktikantinnen würde gar nichts laufen. Nur die Hälfte der Zuschüsse kommt von öffentlichen Institutionen wie dem Hauptstadtkulturfonds. Der Rest wurde bei unzähligen Sponsoren zusammengetrommelt. Von Albanian Airlines bis zu Zapf-Umzüge reicht die lange Liste.

Wenn alles gut geht, dann werden auch im nächsten September wieder Schriftsteller aus der ganzen Welt in Berliner Theatern, Schulen, Krankenhäusern oder auch auf historischen Friedhöfen lesen und mit ihrem Publikum diskutieren.

(noch bis zum 21. September)