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Ukraine: Zweite Chance für Orange

22. Juni 2006

Fast drei Monate brauchten die ukrainischen Reformparteien, um sich auf eine neue Regierungskoalition zu einigen. Die neue Führung steht vor großen Herausforderungen.

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Julija Tymoschenko soll erneut Ministerpräsidentin werdenBild: AP

In Deutschland ist die Nachricht vom Abschluss der Koalitionsverhandlungen positiv bewertet worden. Die Neuauflage des orangefarbenen Bündnisses der Präsidentenpartei „Unsere Ukraine”, des Blocks Julija Tymoschenko und der Sozialistischen Partei wird begrüßt. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion der SPD, Gert Weisskirchen, sieht darin „ein viel versprechendes Signal“. Im Interview mit DW-RADIO/Ukrainisch sagte er: „Offensichtlich ist es nach langer interner Debatte, die auch zum Teil die Widersprüche noch einmal deutlich gezeigt hat, nun endlich gelungen, den Durchbruch in eine bessere Zukunft, was die politischen Rahmenbedingungen anbetrifft, zu schaffen.“

Innere Einigung notwendig

Auf die Frage zu den künftigen Beziehungen der Ukraine zum Westen und insbesondere zu Deutschland antwortete der Politiker: „Das hängt entscheidend davon ab, ob nun die politischen Chancen genutzt werden und die Reformarbeit in der Ukraine so schnell vorankommt, dass der Westen daraufhin klare und eindeutige Signale geben muss.“

Konfliktpotential mit Russland

Der außenpolitische Sprecher der SPD erwartet keine Belastungen in den Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland infolge der Neuauflage der orangefarbenen Koalition: „Präsident Wiktor Juschtschenko steht für den Ausgleich zwischen Russland und der Ukraine und die Gruppierungen, die sich nun zueinander gefunden haben, sind klug genug zu wissen, dass die Ukraine eine gute Nachbarschaft zu Russland braucht”, erklärte Weißkirchen.

Ukraine-Experte Rainer Lindner von der Stiftung Wissenschaft und Politik äußert sich skeptischer. Er schließt nicht aus, dass es zu Konflikten in den Beziehungen zu Russland kommt. DW-RADIO sagte er: „Wenn wir allein den NATO-Kontext beobachten, haben wir auf der Krim gesehen, welche Möglichkeiten Russland hat, die Gruppen zu mobilisieren, die dort auf ihrer Seite agiert haben.” Seiner Meinung nach müsse die Ukraine in solchen Fällen die Europäische Union als Vermittler nutzen.

Mehr Aufmerksamkeit für die Regionen

In Bezug auf die innenpolitischen Aufgaben der orange Koalition erklärte Lindner: „Sie müssen das tun, was sie zu Beginn der Regierungszeit unter Juschtschenkos Präsidentschaft versäumt haben, nämlich die Integrationsbemühungen verstärken. Juschtschenko war eben zu wenig im Osten des Landes unterwegs und hat den Wahlkampf in dieser Region eher vernachlässigt. Frau Tymoschenko hat das ihrerseits stärker genutzt und hatte auch entsprechenden Erfolg dabei. Sie müssen nun eine gemeinsame politische Linie finden und diese ins Land tragen. Kommunikation und Integration innerhalb der Ukraine sind derzeit wichtiger, als pausenlose Reisen ins westliche Ausland, um dort die Meriten der orange Revolution einzusammeln.“

Konstruktive Opposition wichtig

Rainer Lindner glaubt, dass die „Partei der Regionen“ eine starke Oppositionsrolle einnehmen wird: „Wir wissen ja, dass die Regionalparteien sowohl regionale als auch vektorale Interessen, also sprich Interessen bestimmter Industriegruppierungen bedient, und auch verkörpert. Das wird man spüren. Ich vermute, dass die Energiepolitik der Regierung ein strittiger Punkt sein dürfte, wenn wir darauf blicken, dass Tymoschenko angekündigt hat, den Gaskompromiss mit ‚Gasprom’ rückgängig machen zu wollen. Allein hier deutet sich eine neue Konfliktlage an. Es wäre zu wünschen, dass die „Partei der Regionen“ eine Oppositionsrolle in westlichem Sinne des Wortes, nämlich eine konstruktive und auch auf die produktive Korrektur der Regierung gerichtete Politik betreiben wird.”

Rainer Lindner hofft, dass die orangenen Parteien ihre zweite Chance nutzen werden. Er setzt auf einen Ausgleich der Interessen und ein Festhalten am außenpolitischen Kurs. „Ich glaube die eigentlichen Schwierigkeiten in der ukrainischen Politik stehen uns nach der Regierungsbildung erst noch bevor“, sagte Lindner.

Wolodymyr Medyany

DW-RADIO/Ukrainisch, 22.6.2006, Fokus Ost-Südost