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Ukraine: Zurück zu umstrittenen "freien Wirtschaftszonen"?

2. November 2006

Im ukrainischen Parlament wird über Initiativen gesprochen, die so genannten "freien Wirtschaftszonen" wieder einzurichten. Der Präsident, auf dessen Zustimmung die Regierung angewiesen ist, stellt Bedingungen.

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Wer steckt hinter den Sonderwirtschaftszonen?Bild: AP

Der Streit über Posten und Koalitionen in der Ukraine wird langsam von ernsten Debatten über die Wirtschafts- und Steuerpolitik verdrängt. Seine Sicht der Dinge legte das Ministerkabinett mit dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vor, der vom Parlament bereits in erster Lesung verabschiedet wurde. Der Vertreter der deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung, Ricardo Giucci, hält den Entwurf für ausgewogen und pragmatisch.

Die zugrunde gelegten makroökonomischen Annahmen seien realistisch, auch was das Wachstum und die Inflation betreffe, so Giucci. Das geplante Defizit sei nicht zu hoch. Es gebe aber auch negative Seiten des Etatentwurfs. "Die Sonderwirtschaftszonen werden wieder eingeführt", berichtete Giucci im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Frage ist: Wie geht das vonstatten? Wird es anders sein als früher?" Generell seien sie skeptisch, was dieses Instrument der Wirtschaftslenkung angeht.

Kritik an freien Wirtschaftszonen

Die "freien Wirtschaftszonen" waren schon während Janukowytschs erster Amtszeit als Premier wenig effektiv, meinen Experten. In den Zonen sei es massenhaft zu Gesetzesverstößen gekommen. Daraus macht auch Präsident Wiktor Juschtschenko keinen Hehl. "Die freien Wirtschaftszonen, die es bei uns gab, erhielten nur vier Prozent aller Investitionen in der Ukraine. Warum nicht mehr?", fragte Juschtschenko am 31. Oktober vor Journalisten in Charkiw. Er gab die Antwort gleich selbst: "Weil offensichtlich die Regeln und die Verfahren, die dort herrschten, bei weitem nicht transparent waren. Sie motivierten die ehrliche in- und ausländische Geschäftswelt nicht." In den Sonderwirtschaftszonen seien zu viele "verdeckte Geschäfte" gelaufen.

Warnung vor Fehlern der Vergangenheit

Der Präsident erinnerte auch daran, dass in Vergangenheit die Zonen oft gezielt für konkrete Personen eingerichtet worden seien. Beispielsweise gibt es im Parlament fünf oder sechs Abgeordnete, die sich mit der Montage von Autos befassen. Sie wollen in einer bestimmten Region ein eigenes Werk errichten, natürlich in einer für sie eigens eingerichteten freien Wirtschaftszone, wo keine Steuern gezahlt werden müssen. Deswegen ist Juschtschenko skeptisch, was die Initiative für freie Wirtschaftszonen betrifft: "Meine Frage als Präsident lautet: Werden in den Initiativen für freie Wirtschaftszonen, die jetzt im Parlament erörtert werden, die Lehren der Vergangenheit berücksichtigt?" Wenn ja, dann befürworte er eine solche Politik.

Janukowytsch braucht Juschtschenko

Der Regierungschef wird den Präsidenten davon überzeugen müssen, dass er es mit den freien Wirtschaftzonen ehrlich meint. Dazu hat er mehrere Wochen Zeit - bis zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs. Ohne einen Kompromiss mit Juschtschenko wird sich kein Staatshaushalt verabschieden lassen. Die mehr als 300 Stimmen, die gebraucht würden, um ein Veto des Präsidenten zu überstimmen, hat die Parlamentsmehrheit unter Janukowytschs Führung nicht, seit die Fraktion "Unsere Ukraine" in Opposition gegangen ist.

Eugen Theise
DW-RADIO/Ukrainisch, 1.11.2006, Fokus Ost-Südost