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Putschisten leisten Widerstand

17. Juli 2016

Nach dem Scheitern des Umsturzversuchs in der Türkei haben Sicherheitskräfte rund 6000 Menschen festgenommen. Vereinzelt gibt es noch Widerstand mutmaßlicher Putschisten.

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Polizei auf dem Flughafen in Istanbul (Foto: Anadolu Agency)
Polizei auf dem Flughafen in IstanbulBild: picture-alliance/dpa/B.Ozkan

Auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Konya ist es nach Angaben eines Behördenvertreters zu Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Putschisten und Sicherheitskräften gekommen. Die Soldaten hätten sich ihrer Festnahme durch die Polizei widersetzt. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, die Sicherheitskräfte hätten die Lage unter Kontrolle gebracht. Es habe sieben Festnahmen gegeben.

Der Behördenvertreter berichtete auch von einem ähnlichen Vorfall am Flughafen Sabiha Gökcen in Istanbul. Dort habe die die Polizei Warnschüsse gegen mutmaßliche Putschisten abgegeben, die Widerstand geleistet hätten. Die Soldaten hätten sich schließlich ergeben.

Fast 300 Tote bei Umsturzversuch

Teile des türkischen Militärs hatten am Freitagabend einen Putsch unternommen, der nach wenigen Stunden niedergeschlagen wurde. Bei den schweren Gefechten in Ankara und Istanbul wurden nach neuen offiziellen Angaben fast 300 Menschen getötet. Das Außenministerium in Ankara teilte mit, mehr als 100 Putschisten sowie "mehr als 190 unserer Bürger" seien getötet worden. Zudem hätten mehr als 1400 Menschen Verletzungen erlitten.

Festnahmen Putschverdächtiger in Istanbul (Foto: AP)
Festnahmen Putschverdächtiger in IstanbulBild: picture-alliance/AP Photo

Etwa 6000 Festnahmen

Seit dem Scheitern des Umsturzes gehen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und die islamisch-konservative Regierung massiv gegen tatsächliche oder vermeintliche Gegner in Militär und Justiz vor. Rund 3000 Angehörige der Streitkräfte wurden festgenommen, fast ebenso viele Richter und Staatsanwälte abgesetzt und in Gewahrsam genommen.

Die "Säuberung aller staatlichen Institutionen von diesem Geschwür" werde weitergehen, sagte Erdogan. Nach Angaben von Justizminister Bekir Bozdag ist mit weiteren Festnahmen zu rechnen. Türkischen Medien zufolge sind 140 Richter und Staatsanwälte zur Fahndung ausgeschrieben.

Anadolu meldete, unter den festgenommenen Verdächtigen seien mindestens 70 Generäle. Zu den inhaftierten Soldaten gehört nach Angaben aus Regierungskreisen der Kommandeur der Luftwaffenbasis Incirlik, General Bekir Ercan Van. Der Stützpunkt wird von den USA im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat", IS, in Syrien und im Irak genutzt. Auch 250 Bundeswehrsoldaten sind dort stationiert.

Gülen weist Vorwürfe zurück

Prediger Gülen (Foto: Reuters)
Prediger GülenBild: Reuters/G. Savoy

Erdogan macht den in den USA lebenden islamischen Kleriker Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. "Dieser Aufstand ist für uns eine Gabe Gottes, denn er liefert uns den Grund, unsere Armee zu säubern", sagte der Staatspräsident. Erdogan forderte von den USA die Auslieferung des türkischen Predigers. Gülen bestritt jede Beteiligung an dem Putschversuch und deutete an, dass dieser möglicherweise von Erdogan selbst inszeniert worden sein könnte.

US-Außenminister John Kerry sagte zu, ein Auslieferungsgesuch der Türkei zu prüfen, wenn sie stichhaltige Beweise gegen Gülen vorlegen könne. Der 75-jährige Kleriker erklärte, er rechne nicht mit einer Ausweisung. Falls die US-Behörden aber anders entscheiden sollten, werde er dem Folge leisten.

Gülen einst ein enger Verbündeter und Unterstützer Erdogans, gilt als Erzfeind des Präsidenten. Der Prediger steht an der Spitze einer in 140 Ländern präsenten Gemeinschaft von bis zu acht Millionen meist türkischen Anhängern. In der Türkei betreibt die Bewegung Universitäten, Medienbetriebe, Stiftungen, Banken und Unternehmen. Insgesamt soll die Bewegung über ein Vermögen in Milliardenhöhe verfügen. Gülens Anhänger bezeichnen ihre Organisation als humanistisches Netzwerk. Hinter der Mischung aus Massenbewegung, Wirtschaftsimperium und Medienmacht vermuten die Kritiker dagegen eine versteckte Agenda der Islamisierung.

wl/wa (dpa, afp, rtr)