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Wahlen in der Türkei

Christina Grolmuss18. April 2007

Vor den Präsidentschaftswahlen in der Türkei sorgen Anhänger unterschiedlicher politischer Lager für Unruhen. Im Mai wird entschieden, wer das höchste Staatsamt übernimmt. Als möglicher Kandidat gilt Premier Erdogan.

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Recep Tayyip Erdogan vor türkischer Flagge
Der neue Staatspräsident der Türkei?Bild: AP

Der Countdown läuft. Den politischen Lagern in der Türkei bleiben nur noch wenige Tage Zeit, nämlich bis zum 25. April, um ihre Kandidaten für die kommende Präsidentschaftswahl zu nominieren. Beginnend am 1. Mai wird in drei Wahlgängen der Staatspräsident und Nachfolger von Ahmet Necdet Sezer für eine Amtszeit von sieben Jahren vom Parlament gewählt. Die Amtseinführung soll am 16. Mai stattfinden.

Bisher gibt es noch keine offiziellen Kandidaten. Es zeichnet sich allerdings ab, dass der derzeitige Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zur Wahl antreten wird. Seine konservativ-islamische "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (AKP) erhielt bei den Parlamentswahlen im November 2002 die absolute Mehrheit. Deshalb stünden die Chancen eines AKP-Mitglieds bei der Wahl gut.

Proteste

Menschenmenge hält riesige Türkei-Flagge vor dem Mausoleum von Kemal Atatürk
Kemalisten protestierten am Wochenende in AnkaraBild: picture-alliance/dpa

Die mögliche Kandidatur Erdogans führte vergangenes Wochenende (14./15.4.) zu heftigen Protesten in Ankara. Mehrere hunderttausend Menschen warnten vor einer drohenden Islamisierung, falls Erdogan Präsident werde. "Die Türkei ist säkular und wird säkular bleiben", hieß es aus den Reihen der Demonstrierenden.

Als Premier und bekennender Muslim erklärte Erdogan, er vertrete zwar eine konservative, aber keine religiöse Politik. Außerdem stehe er zur säkularen Verfassung der Republik. Bei einem Parteitreffen am Mittwoch (18.4.) hat die AKP begonnen, über einen möglichen Kandidaten zu beraten. Mit einer Entscheidung sei vorerst aber nicht zu rechnen, sagte ein Vorstandsmitglied der AKP zu Beginn des Treffens. Erdogan wolle sich noch mit Vertretern der eigenen Partei, der Opposition und nichtstaatlichen Gruppen beraten.

Sorge vor Islamisierung

"Die Befürchtung ist nicht nur, dass Herr Erdogan eine stärkere islamische Politik fährt, sondern dass er auch die Verfassung ändert", sagt Udo Steinbach, Direktor des GIGA-Instituts für Nahost-Studien. Die politischen Gegner Erdogans kritisieren zum einen die Tatsache, dass die Frau des Ministerpräsidenten Kopftuchträgerin ist. Zum anderen bewerten sie auch die Vorhaben der AKP, das Kopftuchverbot abzuschaffen und den Islam-Unterricht auszuweiten, als sehr bedenklich.

Die Warnung vor einem drohenden Islamismus durch einen religiösen Staatspräsidenten wie Erdogan könnte jedoch auch nur ein Vorwand der türkischen Elite sein - ein Versuch, die Fäden im politischen Machtspiel nicht aus den Händen zu verlieren.

Funktion des Präsidenten

Udo Steinbach
Islamwissenschaftler Prof. Dr. Udo SteinbachBild: picture-alliance / akg-images

Die wesentliche Aufgabe des Staatspräsidenten besteht darin, Gesetze zu unterzeichnen, die vom Parlament verabschiedet werden. Noch ist das Amt mit dem laizistischen Juristen Ahmet Necdet Sezer besetzt. Bereits einige Male habe er Gesetzentwürfe zurückgewiesen, die den islamischen Faktor zu stark betonten, erläutert Steinbach.

Gesetze, die beispielsweise das Kopftuchverbot an Universitäten lockern sollten. "All diesen Aktivitäten hat Sever einen Riegel vorgeschoben", sagt der Islamkundler. Wenn jetzt Erdogan oder ein anderes Mitglied der AKP auf dem Präsidentenstuhl gelangen sollte, hätte er diesbezüglich eine enorme Macht. "Denn im Parlament haben noch immer die Islamisten die Mehrheit."

Scharia oder Europa?

Die mögliche Islamisierung sei nur ein Teil der Befürchtungen der türkischen Bevölkerung, meint Steinbach. Sie habe darüber hinaus auch Angst, Erdogan könnte die Scharia wieder einführen. Dennoch dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die derzeitig regierende Partei, die AKP, "die Demokratisierung der Türkei weiter vorangetrieben hat als die kemalistischen Parteien zuvor".

Unter Erdogan wurden die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei aufgenommen. Zwischen 2002 und 2004 habe die AKP "eine Vielzahl von Reformpaketen geschnürt, die darauf ausgerichtet waren, die Türkei näher an Europa zu bringen und sie stärker zu demokratisieren".