1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Xi in der Türkei

Friedel Taube19. Februar 2012

Xi Jinping, vermutlich der nächste Staatspräsident Chinas, besucht ab Montag die Türkei. Die beiden Länder wollen ihre strategischen Beziehungen stärken. Zum Lackmustest wird dabei die Syrienfrage.

https://p.dw.com/p/145e4
Xi Jinping besucht die Türkei (Foto: REUTERS/Umit Bektas)
Bild: REUTERS

Die Türkei und China wollen ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen durch einen Besuch des chinesischen Vizepräsidenten Xi Jinping in Ankara ausbauen. Das Treffen in Ankara beginnt am Montag (20.02.2012) und soll bis Mittwoch dauern. "Nicht nur die Türkei, sondern die ganze Welt ist gespannt, welche Ideen und Visionen Xi Jiping hat", sagt Baris Adibelli, Professor an der Dumlupinar Universität im westtürkischen Kütahya. "Es wird interessant, ob er eher eine moderate oder doch eine sehr strenge Politik betreiben wird." Der Besuch in Ankara bietet vor allem eine wichtige Chance. Ich habe den Eindruck, dass China ein neues Kapitel in seinen Beziehungen mit der Türkei aufschlagen will – auch in Hinblick auf den Nahen Osten."

Die Türkei ist mit ihrer boomenden Wirtschaft und dem zunehmenden politischen Einfluss zu einer regionalen Größe im Nahen Osten aufgestiegen. Die energiehungrigen Chinesen wollen deshalb, dass Peking und Ankara näher aneinander heranrücken. Seit 2010 bereits verbindet beide Länder eine strategische Partnerschaft. Seitdem haben immer wieder Gespräche über bilaterale und internationale Angelegenheiten stattgefunden. Eine gemeinsame Linie im Umgang mit dem Bürgerkrieg in Syrien gilt es allerdings noch zu finden.

Der Blick auf die Bosporusbrücke in Istanbul, die Europa mit Asien verbindet, aufgenommen am Dienstag (05.05.2009). Foto: Ulrich Perrey +++(c) dpa - Report+++ pixel
Die Türkei ist zu einer regionalen Größe aufgestiegen.Bild: picture-alliance/dpa

Syrien: Lackmustest für Türkei und China

Anfang Februar hatte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu China und Russland dafür kritisiert, dass sie ihr Veto gegen eine UN-Resolution zu Syrien eingelegt hatten. "Russland und China haben nicht aufgrund von realpolitischen Erwägungen abgestimmt, sondern eher in einer Art Reflexreaktion, die gegen den Westen gerichtet war", sagte Davutoglu während einer Podiumsdiskussion bei der Münchener Sicherheitskonferenz. Er forderte internationale Solidaritätsbekundungen für Syrien, um so Druck auf das Assad-Regime aufzubauen.

Für Adibelli ist klar, dass die Syrien-Position Xis zum entscheidenden Test für die zukünftigen Beziehungen zwischen Peking und Ankara werden wird. "Dass China sich gegen eine Intervention in der Syrien-Frage gestellt hat, hat allem voran mit traditionellen außenpolitischen Doktrinen zu tun und mit der Überzeugung, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen zu wollen", so Adibelli. "Auf der anderen Seite hat China ja auch seine eigenen Probleme. In Peking hat man Angst, dass der Arabische Frühling Oppositionellen im eigenen Land als Vorbild dienen könnte."

Anti-government protesters attend the funerals of protesters killed during clashes with government troops in earlier protests against Syria's President Bashar al-Assad, in Damascus February 18, 2012. Thousands of demonstrators took to the streets of Damascus on Saturday for the funeral of three youths killed in one of the largest protests against President Bashar al-Assad since the start of an 11-month uprising, witnesses said. REUTERS/Handout (SYRIA - Tags: CIVIL UNREST) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS Date sent:18/02/12 // eingestellt von se
Eine gemeinsame Linie zu den Protesten in Syrien muss noch gefunden werden.Bild: Reuters

Türkische Unterstützung für Uiguren

Zu den größten Sorgen der chinesischen Führung zählen die Unruhen in der von Uiguren dominierten Provinz Xinjiang. Die Türkei hat historisch enge Verbindungen zur der muslimischen Minderheit in China. China beobachtet die Beziehungen der Türkei zu den Uiguren schon lange mit Unbehagen. 2009 verurteilten türkische Offizielle die Niederschlagung von Aufständen in der Xinjiang-Provinz scharf. Der für seine unverblümten Worte bekannte türkische Premierminister Recip Tayyip Erdogan verglich die Niederschlagung der Aufstände sogar mit einem Völkermord.

Die Vorkommnisse belasteten das türkisch-chinesische Verhältnis zwar eine Weile lang – wirtschaftliche und politische Interessen überwogen aber schon bald wieder. Seit einem Besuch von Außenminister Davutoglu in China im Jahr 2010 verbesserten sich die Beziehungen wieder. Auch der als historisch angesehene Besuch des chinesischen Premiers Wen Jiabao in der Türkei 2010 und die Unterzeichnung von insgesamt acht Abkommen anlässlich dieses Treffens beeinflusste das Verhältnis positiv.

Unruhen in Xinjiang (Foto:David Wivell/AP/dapd)
In Xinjiang gibt es immer wieder Unruhen.Bild: AP

"Die Türkei kann chinesische Sorgen ansprechen"

Baris Adibelli ist der Meinung, dass der Besuch von Xi eine gute Gelegenheit für beide Seiten sei, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen: "Wenn die Türken die Chinesen in punkto Syrien überzegen können und Garantien geben können, was Pekings nationale Probleme angeht, dann können wir vielleicht einen Politikwechsel erwarten", sagt er. "Wenn neue Mechanismen entwickelt werden, die einen Dialog und die Kooperation zwischen beiden Ländern vorantreiben, dann könnten Lösungen für regionale Krisen wie die in Syrien gefunden werden. Außerdem könnten dann auch die jahrzehntelangen Streitpunkte zwischen China und der Türkei gelöst werden".

Wichtige Handelspartner

Türkische Diplomaten sehen dem Besuch von Xi positiv entgegen. Vor allem glauben sie, dass der Besuch zur Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen beitragen wird. Am Mittwoch soll Xi an einem Wirtschaftsforum teilnehmen, an dem mehr als 50 türkische und chinesische Unternehmen zusammenkommen.

Allein 2011 wurden im Handel zwischen der Türkei und China 24 Milliarden US-Dollar (18 Milliarden Euro) umgesetzt. China ist damit nach Russland und Deutschland der drittgrößte Handelspartner der Türkei.

Im vergangenen Jahr nahmen die Importe aus China in die Türkei um 26,3 Prozent zu - sie stiegen auf 21,69 Milliarden US-Dollar. Türkische Importe nach China hingegen blieben auf einem schwachen Niveau – in der gleichen Zeit wuchsen sie um lediglich 8,7 Prozent auf 2,47 Milliarden US-Dollar an.

Das türkische Handelsdefizit mit China ist ein Hauptproblem in den Beziehungen beider Länder. Ankara erwartet von den chinesischen Offiziellen, dass sie die Bedingungen für Import, Handel und Investitionen für türkische Geschäftsleute verbessern. Ankara ist zudem daran interessiert, dass China sich dafür einsetzt, mehr Landsleute für den Tourismus in der Türkei zu gewinnen.

This photo taken Wednesday, Jan. 4, 2012 shows a container port in Qingdao in east China's Shandong province. China's trade suffered its biggest decline since the 2008 crisis in January, a new sign of weak global demand and a slowing domestic economy. Exports fell 0.5 percent from a year earlier to $149.9 billion, while imports were down 15 percent at $122.7 billion, customs data showed Friday, Feb. 10, 2012. (Foto:AP/dapd) CHINA OUT
China ist drittgrößter Handelspartner der Türkei - hier der Hafen von QingdaoBild: AP

Die Türkei will außerdem ihre Rüstungsindustrie stärken, der Handel mit Technologien zählt zu den Prioritäten. Die Türkei verfolgt diverse gemeinsame Projekte mit China, darunter auch in der Luftabwehr. Türkische Offizielle legen dabei großen Wert auf die Feststellung, dass solche Projekte keinesfalls das NATO-Engagement des Landes untergraben würden.

Die Türkei und China haben 2010 den 40. Jahrestag ihrer diplomatischen Beziehungen gefeiert. 2012 wurde zum "Chinesischen Kulturjahr" in der Türkei ausgerufen, 2013 wird es ein "Türkisches Kulturjahr" in China geben. Ankara und Peking versprechen sich davon eine Ausweitung des Kulturaustauschs zwischen beiden Ländern.

Autor: Ayhan Simsek / Friedel Taube
Redaktion: Shant Shahrigian