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Gesellschaft

Türkei verbietet Online-Partnerbörse

22. Dezember 2017

Eine türkische Internetplattform wollte Verheirateten koran-konform bei ihrer Suche nach Zweitpartnern helfen. Das rief Frauenorganisationen auf den Plan. Die Seite wurde gesperrt, doch ähnliche existieren weiter.

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Deutschland Ehe Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/M. Vennemann

Kaum war die Internetseite der Öffentlichkeit zugänglich, wurde sie für Internetnutzer in der Türkei auch schon wieder gesperrt: Die Partnerbörse wollte verheirateten Männern und Frauen ermöglichen, online Zweitpartner zu finden. Und zwar nach religiösen Regeln.

Die Seite evlilikci.com brüstete sich bis zu ihrer Schließung vergangene Woche damit, die erste Seite dieser Art in der Türkei zu sein. Nur in England und Indonesien habe es bisher solche Angebote gegeben. Lediglich ein paar Klicks sollten unglücklich Verheiratete - zumindest für ein paar Momente - aus ihrer Not erlösen. Aber nicht nur - ihre Klientel definierten die Plattform-Betreiber vor ihrer Schließung wie folgt:

-    Männer, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht von ihren Partnerinnen trennen, obwohl sie keine Beziehung mehr zu ihnen haben
-    Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht heiraten und gleichzeitig nicht sündigen wollen
-    Frauen, die mit einem verheirateten Mann zusammen sein wollen
-    Frauen, die sich in einer ausweglosen Situation befinden und in die Prostitution abdriften könnten
-    Männer und Frauen, die ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen wollen ohne dabei zu sündigen
-    Alle, die heiraten möchten

Kurz nachdem die Seite durch die Presse der Öffentlichkeit bekannt wurde, brach eine Welle der Empörung über sie ein: Sofort reichte die Föderation der Frauenvereine der Türkei (TKFD) eine Klage bei der Staatsanwaltschaft in Ankara ein. "Die Plattform benutzt den weiblichen Körper, um Geschlechterdiskriminierung zu betreiben und benutzt dabei religiöse Rituale", heißt es in ihrer Erklärung.

"Wie oft beten Sie?"

In ihrer "Über uns" Rubrik zitieren die Herausgeber der Seite aus der Koran-Sure "Die Frauen". Wer allerdings hinter der Plattform steht, ist bislang unbekannt. Auf Anweisung des Amts für Information und Kommunikation (BTK) wurde sie nun in der Türkei unzugänglich gemacht.

Dabei sind dort ähnliche Seiten noch immer abrufbar. Zwei davon sind die Plattformen "Second Wife" und "Syrische Frauen". Um Mitglied bei "Second Wife" zu werden, muss der User eine Reihe von persönlichen Fragen beantworten. Neben der Frage nach dem Ehestand gibt er seine Konfession an, seit wann er Moslem ist und wie häufig er betet. Die Plattform hat Mitglieder aus der ganzen Welt. Auch aus der Türkei.

"Zierliche Geschöpfe wie unsere Frauen"

Die Seite "Syrische Frauen" ist unterteilt in Rubriken wie "Syrische Frauen, die heiraten wollen" oder "Was syrische Frauen mögen". Klickt man sich hier durch, finden sich unterschiedliche sexistische Vorurteile über syrische Frauen, die aufgrund des Kriegs in ihrer Heimat in die Türkei fliehen mussten:

"Syrerinnen sind ähnlich zierliche Geschöpfe wie unsere Frauen. In unserem Land hat die Zahl der jungen Männer zugenommen, die gerne eine syrische Frau heiraten wollen, genauso wie die Zahl verheirateter Männer, die gerne mit einer Syrerin zusammen wären. Weil syrische Frauen auch nicht darauf bestehen, zu heiraten, können die Männer auch mit ihnen zusammenleben, ohne sie zu heiraten."

Türkei EU Flüchtlingsdeal Symbolbild
Lager für syrische Flüchtlinge in der TürkeiBild: picture alliance/abaca/Depo Photos

"Ich möchte eine syrische Frau heiraten"

Vielleicht auch, um den Eindruck im Keim zu ersticken, es könnte sich dabei um Ausbeutung der Frauen aus dem kriegsgeschüttelten Nachbarland handeln, argumentieren die Betreiber auf ihrer Seite: "Die Männer vollbringen eine gute Tat, wenn sie das Angebot der Plattform in Anspruch nehmen." Da die Psyche dieser Frauen geschädigt sei, sei eine Heirat für die Frauen "von Nutzen". "Sie können diesen Frauen dabei unterstützen, dass sie sich besser fühlen", heißt es weiter. Auf der Seite selbst sind Nachrichten von Männern zu lesen wie "Ich bin 30 Jahre alt. Ich möchte eine syrische Frau heiraten. Sie kann ruhig schon einmal verheiratet gewesen sein." Oder "Ich möchte eine ledige Syrerin mittleren Alters heiraten".

"Heiraten aus moralischem Anstand"

Gülseren Kaplan arbeitet für das Frauenzentrum in Şanlıurfa (KAMER) im Südosten der Türkei. Die Ehe mit mehreren Partnern sei besonders in den ländlichen Gebieten nichts Neues, erklärt sie. Allerdings habe die Zahl der Männer, die in zweiter Ehe Syrerinnen heiraten, die in die Türkei geflohen waren, deutlich zugenommen. "Diese Frauen sind vor dem Krieg geflohen. Manche Männer behaupten, sie würden diese Frauen heiraten, um sie zu schützen, aus moralischem Anstand. Es sind viele Männer darunter, die keine Kinder oder zumindest keine Söhne haben", so Kaplan. Ziel könnte also sein, mit den Zweitfrauen einen Sohn zu zeugen.

"Ich hole mir eine zweite Frau aus Syrien"

Eine Aktivistin, die in Şanlıurfa und Umgebung tätig ist und aus Sicherheitsgründen ihren Namen nicht nennen möchte, erzählt von ihren Erfahrungen. Einige Frauen berichten, dass ihre Männer damit drohten, sich eine Syrerin zur zweiten Frau zu nehmen, wenn sie mit irgendetwas unzufrieden seien.

Neu sei auch der finanzielle Aspekt bei der Heirat mit einer zweiten Frau, erklärt die Aktivistin. "Früher haben vor allem reiche Männer eine zweite Frau geheiratet. Heute ist es viel leichter geworden. Die Männer müssen nicht einmal mehr Geld haben. Heute kann das jeder tun."