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Türkei greift kurdisches Dorf in Syrien an

27. Juli 2015

Bei ihrem jüngsten Angriff hat die türkische Armee nicht die extremistische IS-Miliz im Visier, sondern die kurdischen YPG-Volksschutzeinheiten. Aktivisten fordern ein sofortiges Ende der Aggressionen Ankaras.

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Ein Kämpfer der kurdischen Miliz YPG (Foto: DPA)
Ein Kämpfer der kurdischen Miliz YPG an der türkisch-syrischen GrenzeBild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Die türkische Armee hat nach Angaben der kurdischen Miliz YPG deren Stellungen in Syrien beschossen. Mehrere türkische Panzer hätten einen Ort im Norden Syriens bei Dscharablus angegriffen, der von der YPG und gemäßigten Rebellen kontrolliert wird. Dabei seien westlich der Stadt Kobane vier Kämpfer der YPG und der Freien Syrischen Armee (FSA) verletzt worden, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch ein Kurdensprecher bestätigte den Beschuss des Ortes Sor Maghar. Die YPG-Führung forderte die Türkei auf, "diese Aggression" zu stoppen. Ankara selbst widerspricht den Angaben der YPG.

Erbitterte Kämpfe mit dem IS

Im Visier der türkischen Truppen seien nicht die Kämpfer des extremistischen "Islamischen Staates" (IS) gewesen, sondern syrische Kurden, so die YPG-Miliz weiter. Die YPG gilt als wichtiger Verbündeter der internationalen Koalition im Kampf gegen die Islamisten. Sie ist zugleich auch eng mit der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Die kurdischen Volksschutzeinheiten liefern sich erbitterte Kämpfe mit dem IS. Nach mehreren Siegen gegen die Terrormiliz kontrolliert die YPG mittlerweile große Teile des Gebiets nahe der Grenze zur Türkei.

Am Montag vertrieben die Kurdenkämpfer die Extremisten vom IS aus der Stadt Sarrin in der Nähe des Euphrat. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mitteilte, unterstützte die von den USA angeführte Militärallianz die YPG-Miliz mit Luftangriffen. Sarrin war nach Angaben der oppositionsnahen Gruppe Ausgangspunkt für die IS-Angriffe auf die Grenzstadt Kobane.

Im Istanbuler Stadtteil Gazi protestieren Demonstranten gegen den Tod einer linken Aktivistin (Foto: DPA)
Im Istanbuler Stadtteil Gazi protestieren Demonstranten gegen den Tod einer linken AktivistinBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Türkisches Dementi

Die Türkei bestritt, gezielt Kurden in Syrien anzugreifen. Die türkischen Militäreinsätze im Nachbarland richteten sich gegen den IS, die Aktionen im Irak gegen die PKK, sagte ein Regierungssprecher. Die Partei der "Demokratischen Union" (PYD) - die wichtigste Kurdenpartei in Syrien - gehöre "nicht zu den Zielen", fügte er hinzu. Bei der YPG-Miliz handelt es sich um den bewaffneten Arm der PYD. Ankara prüfe Informationen, die besagen, dass die türkische Armee in Syrien andere Stellungen als die des IS beschossen habe, so der Sprecher.

Ankara setzt den Friedensprozess aufs Spiel

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu erklärte in der Zeitung "Hürriyet", sein Land habe nicht vor, Bodentruppen in Syrien einzusetzen. Am Wochenende hatte die Türkei ihre Militäraktionen in den benachbarten Staaten Syrien und Irak ausgedehnt. Im Nordirak beschoss das Militär Einrichtungen der PKK. Mit diesem Vorgehen bringt Ankara den Friedensprozess mit den Kurden im eigenen Land in Gefahr. Am Wochenende kam es erneut zu Anschlägen auf Einrichtungen der Armee und der Polizei, für die die Behörden Kurden verantwortlich machen.

Steinmeier: "Verständnis" für die Türkei

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an die Türkei, am Friedensprozess mit der PKK festzuhalten. Am Sonntag telefonierte er mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu. In einer am Montag veröffentlichten Mitteilung des Auswärtigen Amtes signalisierte Steinmeier "Verständnis", dass die Türkei "gegen diejenigen vorgeht, die für die schrecklichen Terroranschläge der letzten Tage verantwortlich sind". Gleichzeitig dürfe der mühsam aufgebaute Friedensprozess mit den Kurden jetzt nicht zum Erliegen kommen. Dies würde die ohnehin komplizierte Lage nur noch schwieriger machen, so der Außenminister.

900 Festnahmen in der Türkei

Die türkischen Behörden haben seit Freitag rund 900 Menschen festgenommen, weil sie Verbindungen zum IS oder zur PKK haben sollen. Darunter befänden sich mutmaßliche Anhänger der PKK und der linksradikalen DHKP-C, teilte ein Vertreter der Regierung mit. Bei einer der Razzien wurde eine Aktivistin getötet. Die Polizei schlug darauf folgende Proteste im Istanbuler Stadtteil Gazi gewaltsam nieder.

mas/sti (afp, dpa, rtre)