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Tunesiens Präsident will Macht auf Lebenszeit

23. Oktober 2009

Wenn Tunesien am Sonntag seinen Präsidenten wählt, zweifelt kaum einer am Ergebnis. Der amtierende Staatschef Zine el Abidine Ben Ali rechnet auch nach 22 Jahren an der Staatsspitze mit einer fünften Amtszeit.

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Tunesiens Präsident Ben Ali (Foto: AP)
Seit 22 Jahren ist Ben Ali an der MachtBild: AP

Die Wahl scheint schon gelaufen, bevor sie überhaupt begonnen hat: Das Staatsfernsehen zeigt endlose Bilder von jubelnden Massen auf den Straßen von Tunis. Begeistert winken sie ihrem Präsidenten entgegen. Steif steht er am Rednerpult, sein Blick ist starr, er verzieht keine Miene. Mit seinem blauen Anzug und dem pechschwarz gefärbten Haar versprüht er zwar kein Charisma. Doch mit seinen 73 Jahren wirkt Zine el Abidine Ben Ali, der absolute Herrscher von Karthago, jünger als er wirklich ist.

Meister der Inszenierung

Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag in Tunesien (Foto: AP)
Lässt sich gerne feiern: Ben Ali am UnabhängigkeitstagBild: AP

"Wir werden Ihnen heute unser Programm vorstellen – ein Programm für das nächste Jahrzehnt – und die weitere Zukunft", kündigt Ben Ali an. Das Programm ist er selbst, der Staat ist er selbst - und er will es noch lange bleiben. Für manche Beobachter klingt das wie eine Drohung. Denn mit großem Aufwand inszenieren Ben Ali und seine Regierung eine Scheinwelt, die über die wahren Verhältnisse hinwegtäuschen soll. Und das schon seit 22 Jahren. 7. November 1987: Ben Ali, damals Premierminister von Tunesien, setzt den greisen Staatspräsidenten Habib Bourguiba wegen angeblich "körperlicher und geistiger Unfähigkeit" ab und macht sich zu seinem Nachfolger. Diesen Putsch verkauft der bauernschlaue Ben Ali in den Medien als Jasmin-Revolution – doch seine schneidige, kühle Funktionärssprache verrät, dass von nun an ein anderer Wind wehen wird.

Basteln an einem totalitären Staat

Wie hinter den Fassaden eines potemkinschen Dorfes baut Ben Ali fleißig an einem totalitären Staat, der schon bald die Merkmale einer Spitzel-Diktatur trägt. Morddrohungen, Überfälle, Verhaftungen und Folter gegen Islamisten und Oppositionelle sind an der Tagesordnung. Tunesien werde seit über zwanzig Jahren von einer Bande von Ganoven regiert, meint die tunesische Journalistin Souhayr Belhassen. Sie ist Präsidentin der Internationalen Menschenrechtsliga und lebt im Exil in Paris. "Vor Ihren Augen sehen Sie das Bild einer Diktatur der Dritten Welt. Das klingt hart, aber so ist es. Auf der anderen Seite haben die Frauen mehr Rechte und die Wirtschaft wächst."

Rasanter Fortschritt

Straßenszene in Tunesien (Foto: dpa)
Den Wirtschaftswachstum bekommt auch die Bevölkerung zu spürenBild: dpa Zentralbild

Der Preis für Tunesiens rasanten Fortschritt ist hoch – doch nicht nur die nordafrikanischen Nachbarn blicken voller Neid auf den Wirtschaftswunderknaben Ben Ali. Denn sein Land steht im Vergleich zu anderen Maghreb-Staaten bestens da: Das Durchschnittseinkommen der Tunesier hat sich unter der harten Führung von Ben Ali und seinem Familienclan mehr als verzehnfacht, die Lebenserwartung ist gestiegen, immer mehr Menschen können lesen und schreiben. Tunesien gilt als "Pol der Stabilität" im Maghreb, es hat ein Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen und ist Frankreichs Lieblingspartner für das ehrgeizige Projekt der Mittelmeerunion. Doch Souhayr Belhassen von der Internationalen Menschenrechtsliga warnt davor, sich von einer weichgespülten Presse, vom Bild der unverschleierten Frauen in den Straßen und von wirtschaftlichen Erfolgszahlen blenden zu lassen. "Ohne Demokratie ist das alles nichts wert!" Und ohne Demokratie muss Zine el Abidine Ben Ali immerhin keine Gegenkandidaten fürchten. Und kann weiter als absoluter Herrscher von Karthago regieren.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Katrin Ogunsade