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Wieder Clinch in Griechenland

Jannis Papadimitriou22. Mai 2015

In Griechenland hat die regierende Linkspartei eine neue Front geöffnet: Jannis Stournaras, Gouverneur der Zentralbank, wird der Rücktritt nahegelegt. Ihm wird vorgeworfen, die "nationale Linie" nicht zu vertreten.

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Zentralbank in Athen (Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis)
Zentralbank in AthenBild: Reuters/A. Konstantinidis

Es begann mit einem aufsehenerregenden Bericht in der "Zeitung der Redakteure", die Linkspremier Alexis Tsipras besonders wohlgesonnen ist: Am 9. Mai berichtete das Blatt von einer E-Mail, die angeblich von der griechischen Zentralbank an einen oder mehrere Journalisten geschickt worden sein soll. Zu lesen war eine ernüchternde Bilanz über die ersten 100 Amtstage der neuen Regierung. Demnach seien die Bankeinlagen der Griechen seit dem Regierungswechsel bereits um 35 Milliarden Euro gesunken, EU-Gelder in Milliardenhöhe würden eingefroren und der Staat käme mit seinen Rückzahlungen gegenüber Privatgläubigern weiterhin in Verzug.

Umgehend dementierte die "Bank von Griechenland", dass Gouverneur Jannis Stournaras oder die hauseigene Presseabteilung eine derart regierungskritische E-Mail abgeschickt habe. Die "Zeitung der Redakteure" legte nach, veröffentlichte eine Kopie der umstrittenen Mitteilung und ließ andeuten, dass sie auf Weisung von oben vom persönlichen E-Mail-Konto eines Mitarbeiters geschickt wurde. Daraufhin verlangten führende Politiker der Athener Regierungskoalition mehr oder weniger direkt den Rücktritt des Notenbank-Chefs.

Stournaras untergrabe die laufenden Verhandlungen mit den Geldgebern, klagt der Fraktionssprecher der Linkspartei Syriza Nikos Filis, und der Innenminister Jorgos Katrougalos sagte unumwunden: "An seiner Stelle wäre ich wohl zurückgetreten". Die gleiche Meinung vertritt auch der Linken-Abgeordnete Thanassis Petrakos. Und sein Kollege Jannis Miras vom rechtspopulistischen Koalitionspartner ANEL hat eine Sofort-Lösung parat: Falls der Gouverneur nicht zurücktritt, würde man die Bankzentrale besuchen und ihn hinaustragen, erklärte der tatkräftige Volksvertreter in einem TV-Interview. Zudem werden Vorwürfe laut, Stournaras lasse sich nicht für die "nationale Linie" bei den Verhandlungen mit den Geldgebern einspannen. Soll heißen: Der Notenbank-Gouverneur übe kaum Druck auf EZB-Chef Mario Draghi aus, damit dieser ein Auge zudrückt und zusätzliche Liquidität für die griechischen Banken freigibt.

Yannis Stournaras (Foto:LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Yannis Stournaras will nicht nach Syrizas Pfeife tanzenBild: Louisa Gouliamaki/AFP/Getty Images

Angst um die Unabhängigkeit der Zentralbank

Im Euroraum gilt die Regel, dass eine Zentralbank völlig unabhängig von politischen Weisungen handeln soll. Eine Entlassung des Notenbankchefs ist nicht vorgesehen, es sei denn, dem Gouverneur könnten "ernste Verfehlungen" nachgewiesen werden. Für sämtliche Regierungspolitiker in Griechenland ist dies anscheinend auch der Fall. Doch konservative und sozialdemokratische Oppositionsparteien stärken dem Notenbankgouverneur demonstrativ den Rücken. Auch die führenden Medien Griechenlands nehmen Stournaras in Schutz. Seine Demontage käme einer "Hexenjagd aus rein innenpolitischen Gründen" gleich, warnt die konservativ-liberale Athener Zeitung Kathimerini. Das Blatt vermutet eine regelrechte Kampagne, die "dem Ansehen des Landes schadet, weil sie doch zeigt, dass das politische System wichtige europäische Institutionen ignoriert".

In diesem Sinn äußert sich auch Bankenexperte Babis Papadimitriou. "Grundsätzlich lassen sich Linkspolitiker nicht für die Unabhängigkeit einer Zentralbank begeistern", meint der Analyst im Athener TV-Sender Skai. Die aktuellen Vorwürfe gegen den Notenbankchef zeigten, dass so manche Regierungspolitiker nicht an den Verbleib Griechenlands im Euroraum glauben würden, sagt Papadimitriou. Wer im Euro bleiben will, der müsse auch die Unabhängigkeit der Zentralbank bewahren, so lauten nun mal die Spielregeln, mahnt der Analyst.

Vom Finanzminister zum Notenbankchef

Aus den Reihen der Linken wird Stournaras vorgeworfen, er verhalte sich zuweilen wie ein Minister der konservativen Vorgängerregierung. Dieser Vorwurf ist nicht zufällig gewählt: Zwei Jahre lang diente der in Oxford ausgebildete Ökonom unter Konservativen-Chef Antonis Samaras als Finanzminister und trug in dieser Funktion wesentlich zur relativen Stabilisierung der griechischen Wirtschaft bei. Allerdings machte er sich damals auch viele Feinde in der Linkspartei. Im Juni 2014 wechselte er vom Ministersessel zum Posten des Notenbankchefs. Neue Angriffsflächen bot er im vergangenen Dezember, als er sich in aller Öffentlichkeit gegen vorgezogene Neuwahlen aussprach. Spätestens seitdem ist Stournaras ein "rotes Tuch" für die Linkspartei Syriza.

Auch Thanassis Mavridis, Leiter des Wirtschaftsportals Capital kann sich mit dem mitteilungsfreudigen Notenbankchef nicht richtig anfreunden. "Ich verstehe die Sorgen um die Unabhängigkeit der griechischen Zentralbank, aber ehrlich gesagt: Wenn wir den Begriff der Unabhängigkeit wörtlich nehmen, dann hätte Stournaras vom Finanzministerium nicht direkt in die Chefetage der Notenbank wechseln dürfen", moniert der Ökonom im Gespräch mit der Deutschen Welle. Zumindest eine Karenzzeit von einigen Monaten wäre doch in diesem Fall angebracht, glaubt Mavridis. Und er fügt hinzu: "Was würden die Deutschen wohl denken, wenn Wolfgang Schäuble über Nacht zum neuen Bundesbank-Präsidenten ernannt würde? Ob das ein gutes Zeichen für die Unabhängigkeit der Zentralbank wäre?".

Griechenland Zentralbank (Copyright: DW/Irene Anastassopoulou)
In der EU sollen Zentralbanken unabhöngig von den Regierungen handeln könnenBild: DW/I. Anastassopoulou

Ein konservativer Hoffnungsträger

Für die heutige Regierung will Mavridis allerdings auch nicht Partei ergreifen. Im Gegenteil: Besonders kritisch bewertet der Ökonom das Vorgehen der Regierenden und wundert sich zudem, wie sie überhaupt Kenntnis vom Inhalt einer privaten E-Mail erlangen konnten. Jedenfalls würde die Demontage des Notenbankchefs vermutlich ein politisches Nachspiel haben, vermutet der Analyst. "Der Streit um den Notenbankchef eskalierte erst nachdem Gerüchte aufkamen, nach einem Scheitern der Linksregierung würde sich Stournaras als neuer Hoffnungsträger oder Übergangspremier anbieten. Und solche Gerüchte sind immer noch aktuell", gibt Mavridis zu bedenken.

Derartige Szenarien greift nicht zuletzt das linke Parteiblatt Avgi auf. "Notenbankchef und Parteiführer sind zwei verschiedene Paar Schuhe“ kommentiert die Parteizeitung zur Causa Stournaras. Dem Zentralbanker gibt sie noch folgenden Rat mit auf den Weg: "Wenn er die politische Front der Sparpolitik anführen möchte, kann er dies natürlich tun - allerdings nicht in seiner heutigen Funktion“.