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Tschechisch-slowakischer Rinderkrieg

12. April 2002

– Fleischhandel zwischen Prag und Bratislava stark eingeschränkt

https://p.dw.com/p/256V

Prag, 10.4.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Die Slowakei und Tschechien haben sich den Krieg erklärt. Den Handelskrieg. Objekte des Streites ist der Handel mit Fleisch zwischen beiden Staaten

Zuerst hat Tschechien, mit Rücksicht auf die steigende Zahl von Rinderwahn-Fallen, die Einfuhr verboten. Einige Tage später reagierte die Slowakei mit noch härteren Schutzmaßnahmen. Bratislava verschärfte nicht nur die Einfuhrbedingungen für Rindfleisch aus Tschechien, sondern auch noch gleich die Regeln für den Import von Schweinefleisch und Geflügel so sehr, dass es praktisch einem Importverbot für Fleisch und Fleischprodukte aus der tschechischen in die Slowakische Republik gleichkommt.

Beide Seiten geben gute Gründe an: Die Tschechen die Sorgen vorm Rinderwahn, die Slowaken den Wunsch, sich vor dem Import von Tierfleisch zu schützen, in dem theoretisch Rückstande von Antibiotika oder Wachstumspräparaten enthalten sein konnten. Beide Argumente scheinen vorgeschoben. Zum Einfuhrverbot für slowakisches Rindfleisch kam es allem Anschein nach, weil es einen Überschuss an Rindfleisch auf dem tschechischen Markt gibt - und dazu wiederum kam es, als Prag die Subventionierung von Rindfleischexporten der eigenen Tierzüchter in die EU einstellte. Wobei offensichtlich - so die Pointe - viele tschechische Exporteure den eigenen Staat betrogen, indem sie slowakisches Rindfleisch einfach weiter exportierten.

Umgekehrt sind die tschechischen Schweinefleisch- und Geflügelproduzenten wegen ihrer modernen Anlagen eine unangenehme Konkurrenz für die Slowaken. So hat beispielsweise das tschechische Unternehmen Hame Babice in der Slowakei eine Marktposition, welche die slowakische Lebensmittelbranche vor Neid erblassen lässt.

Außerdem ist Wahlkampfzeit. Der slowakische Landwirtschaftsminister Pavol Koncos hat - genau wie die Partei der Demokratischen Linken (SDL), der er vorsteht - keine Chance, ins neue Parlament einzuziehen. Das gibt Lobby-Gruppen eine gute Chance, seine Entscheidungen zu beeinflussen.

Schon früher waren ähnliche kleine Handelskriege in der tschechisch-slowakischen Zollunion üblich, man erinnere sich nur an die Begrenzung tschechischer Bierexporte für die Slowakei. Wie die einflussreiche slowakische Tageszeitung "Sme" schreibt, lässt sich auch beim gegenwärtigen Streit erwarten, dass sich Bratislava und Prag irgendwie einigen. Auch für das Image beider Länder wäre das unerlässlich - immerhin befinden sich beide in der Endphase der Verhandlungen über den EU-Beitritt. (ykk)