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Tschechiens Staatsschulden wachsen zu schnell

21. März 2002

– Anstieg von rund 195 auf 345 Milliarden Kronen in vier Jahren

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Prag, 19.3.2002, RADIO PRAG, deutsch, Rudi Hermann

Während der Amtszeit der sozialdemokratischen Regierung sind die Schulden der Tschechischen Republik markant angewachsen, und ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Die Regierung hatte dabei versprochen, mit der Stabilisierung der Schulden zu beginnen, sobald die Wirtschaft wieder schwarze Wachstumszahlen schreibe.

Zwischen 1998 und 2001 (...) sind die tschechischen Staatsschulden in absoluten Zahlen von 194,7 Milliarden Kronen auf 345 Milliarden angewachsen, also fast auf das Doppelte. In Prozenten des Brutto-Inlandproduktes handelte es sich beim Volumen der Staatsschulden 1998 um rund 14 Prozent, während es heute etwa 20 Prozent sind. Diese beiden Angaben sind wichtig, um die zwei sehr unterschiedlichen Interpretationen von Regierung und Opposition hinsichtlich der Entwicklung der Staatsschulden nachvollziehen zu können.

Die Oppositionspolitiker, und mit ihnen auch internationale Institutionen, werfen der Regierung vor, ein allzu schnelles Wachstum der Staatsschulden zuzulassen. Die Regierung wiederum argumentiert, gemessen an den Limiten der Europäischen Union, die eine Obergrenze der Staatsschulden gemessen am Brutto-Inlandprodukt von 60 Prozent vorschreiben, stehe Tschechien mit einer Quote von 20 Prozent immer noch sehr gut da und habe keinen Grund zur Besorgnis.

Betrachtet man die nackten Zahlen, ist diese Interpretation zweifellos berechtigt. Und blickt man in die nähere Umgebung, stellt man fest, dass beispielsweise die Slowakei, Polen und Ungarn, also Transformationsländer, mit denen man sich hier gerne vergleicht, Verschuldungsquoten von 40 bis 54 Prozent des Brutto-Inlandprodukts verzeichnen, der Durchschnitt der EU-Kandidatenländer bei 43,8 Prozent liegt und der Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten sogar bei 57,6 Prozent. Die Regierung meint deshalb, hier werde viel Lärm um nichts gemacht.

Die Opposition wirft ihr allerdings vor, mit der gegenwärtigen Entwicklung die eigenen Versprechen nicht einzuhalten. Denn die Sozialdemokraten hätten in Aussicht gestellt, die Wirtschaft zwar mit Defizitfinanzierung aus der Krise zu führen, im Moment aber, da schwarze Wachstumszahlen geschrieben würden, das Schuldenwachstum zu bremsen. Nicht nur könne davon keine Rede sein, sondern das Kabinett begehe zudem noch die Sünde, Privatisierungseinnahmen, die von ihrem Charakter her grundsätzlich einmaliger Natur seien, unzulässigerweise in die laufende Rechnung einzubeziehen, statt sie zum Beispiel zur Schuldentilgung zu verwenden.

Das Brutto-Inlandprodukt wächst dabei schon im zweiten Jahr, 2000 um 2,9 Prozent und 2001 gemäss den gegenwärtigen Annahmen um 3,1 bis 3,5 Prozent. Laut internationalen Organisationen wie der EU oder der OECD besteht das Problem nicht in der absoluten Höhe der Schuldenquote, sondern in der Geschwindigkeit des Wachstums und in der Ausgabenstruktur des tschechischen Staates, die auch mittelfristig keine Trendumkehr erkennen lasse. (ykk)