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Tschechiens Mafia-Kapitalismus

8. Oktober 2002

– Fast ein Fünftel des tschechischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften Mafia-Strukturen

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Prag, 8.10.2002, HOSPODARSKE NOVINY, tschech.

(...) Einen idealen demokratischen Kapitalismus oder einen totalen Mafia-Kapitalismus gibt es nirgendwo auf dieser Welt. Entscheidend jedoch ist, in welche Richtung sich eine Gesellschaft begibt, wie nah sie dem einen oder dem anderen Pol steht. (...)

Vieles spricht dafür, dass in Tschechien eher der Mafia-Kapitalismus (mit Attributen wie Korruption, Klientelbedienung, hohe Wirtschaftskriminalität) regierte und regiert. Nach Polizei-Angaben erzielten Mafia-Organisationen hierzulande im vergangenen Jahr einen Gesamtgewinn von mehr als 400 Milliarden Kronen (etwa 13 Milliarden Euro - MD), was fast einem Fünftel des tschechischen Bruttoinlandsprodukts entspricht.

Ein bedeutender Teil dieser astronomisch hohen Summe stammt aus Privatisierungs-, Bank- und Kreditgeschäften. Wenn die Mafia-Organisationen nur 0,25 Prozent der Gewinne für Korruption bei Verwaltung, Polizei, Justiz, Politik und politischen Parteien aufwenden, macht es mehr als eine Milliarde Kronen (etwa 33 Millionen Euro - MD) jährlich aus. Dieser Betrag ist groß genug, um beabsichtigte Ziele zu erreichen. Und dass es sich bei diesen Bestechungsgeldern keinesfalls um leere, sondern um profitable "Investitionen" handelt, steht außer Zweifel.

Keine tschechische Partei ist als idealer Vertreter des demokratischen Kapitalismus oder des Mafia-Kapitalismus zu bezeichnen. Immer sind es konkrete Personen, die die eine oder die andere Partei beherrschen. Nichtsdestotrotz hat den Aufbau des Frühkapitalismus der 90er Jahre in Tschechien vor allem eine Partei geprägt – die bürgerliche ODS von Vaclav Klaus. Diese Tatsache macht aus der ODS eine wirtschaftlich-politische Struktur, die gegen Einflüsse von Mafia-Verflechtungen am wenigsten resistent ist. Es stellt sich die Frage, ob solch eine politische Struktur überhaupt reformierbar ist, ob es nicht sinnvoller wäre, eine neue Struktur zu schaffen - mit neuen Leuten und mit Politikern, die sich in der Vergangenheit schon bewährt haben. (...) (ykk)