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Tschechien: Marktwirtschaft läuft, Justiz bessert sich

15. November 2001

Europäische Kommission bewertet Tschechien positiv, findet aber auch Tadelnswertes.

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Prag, 15.11.2001, Prager Zeitung, deutsch

Die Versetzung ist nicht gefährdet. Die EU-Kommission stellt der Tschechischen Republik sogar ein besseres Zeugnis als im Vorjahr aus. (...) Zwar konstatiert der Bericht, dass in Tschechien die Marktwirtschaft bereits voll funktionstüchtig sei. Doch der Teufel steckt wie meist im Detail. Korruption und Wirtschaftskriminalität seien immer noch zu hoch, Geldwäsche und die so genannte "Tunellierung" weiterhin an der Tagesordnung. Einen entscheidenden Schritt nach vorne hat Tschechien im Justizwesen getan. Dies war bisher eines der problematischsten Felder der Transformation. Die Kommission appelliert gleichzeitig mit dem Lob, in den Bemühungen um eine Justizreform nicht nachzulassen. Gerichtsverfahren müssten noch weiter beschleunigt, die Durchsetzung der Urteile verstärkt sowie die Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten gefördert werden, um das EU-Niveau zu erreichen.

Den größten Tadel erhält Tschechien beim Thema Reform der Staatsverwaltung. Praktisch "keine Fortschritte" seien auf diesem Gebiet erzielt worden. Es fehlt weiterhin ein Gesetz über den Staatsdienst, das die Beziehungen zwischen dem Staat und seinen Staatsdienern neu regelt. An diesem Gesetz haben sich seit neun Jahren die verschiedenen Regierungen versucht, seit vier Jahren mahnt die Kommission diesen Mangel an - ohne jegliches Ergebnis. Tschechien ist damit der einzige Beitrittskandidat, der noch kein solches Gesetz verabschiedet hat.

Bei einem anderen kritischen Thema weist Tschechien Fortschritte auf: dem Schutz der Minderheiten. In Brüssel werden die Anstrengungen und Initiativen des Staates wohlwollend bewertet, die Situation der Roma zu verbessern. Allerdings werden Roma weiterhin diskriminiert, besonders in der Schulbildung und der Beschäftigung. (...)

Im wirtschaftlichen Teil wurden (...) vor allem die überwiegend positiven makro-ökonomischen Rahmendaten hervorgehoben wie das Wachstum der Wirtschaft sowie die niedrige Inflation. (...) Gleichzeitig aber gab es (...) deutliche Vorbehalte.

Die Eigenheit der Regierung Zeman, öffentliche Aufträge ohne eine Ausschreibung zu vergeben, ist in Ländern der Europäischen Union schlicht undenkbar. Dieses zweifelhafte Verfahren stößt nicht nur in Brüssel, sondern auch in Prag auf Kritik. Ein Beispiel von vielen ist die Vergabe eines Auftrages von mehreren Milliarden Kronen für die sich immer noch im Staatsbesitz befindliche Cesky Telecom, den das Kabinett innerhalb von einer Stunde beschloss. Keines der beteiligten Ressorts konnte hinterher erklären, warum keine Angebote von Konkurrenzfirmen geprüft worden waren. (...)

Besonders Oppositionspolitiker nahmen erfreut die aus Brüssel dringende Nachricht von einer Kritik an der Verschuldung des tschechischen Staates zur Kenntnis. Die Regierung Zeman muss in der Tat in diesem Jahr mit einem mehr als doppelt so hohen Haushaltsdefizit rechnen: Ursprünglich war ein Minus von 49 Milliarden Kronen eingeplant gewesen, nun werden es wohl rund 100 Milliarden Kronen, das sind 4,7 Prozent des Bruttosozialproduktes. (...) Ursprünglich wollte das Kabinett Zeman 150 Milliarden Kronen durch die Privatisierung einnehmen, bislang sind es gerade mal 50 Milliarden Kronen. (...) (ykk)