1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tschechien einer der bedeutendsten Handelspartner Bayerns

3. Juni 2002

- Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung noch "deutlich ausbaufähig"

https://p.dw.com/p/2Nhv

Prag, 30.5.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Der Handel zwischen Bayern und Tschechien wachst unermüdlich. Voriges Jahr wurde Böhmen zum zweitwichtigsten Wirtschaftspartner der Freistaates im Osten. Wie Bayern die zukünftige Entwicklung beurteilt, erklärt im PZ-Interview Wirtschaftsminister Otto Wiesheu.

Frage:

Herr Minister, der Freistaat Bayern legt Jahr für Jahr einen neuen Exportrekord vor. Die Ausfuhren in die mittel- und osteuropäischen Länder haben sich seit 1993 nahezu verdreifacht. Welchen Anteil hat Tschechien? Wie entwickeln sich die Importe aus Tschechien?

Wiesheu:

Der Freistaat hat in der Tat im letzten Jahr mit einer Exportquote von 42 Prozent und einem Exportvolumen von 95 Milliarden Euro seinen achten Ausfuhrrekord in Folge aufgestellt. Besonders erfreulich verlief die Entwicklung der Ein- und Ausfuhren mit Mittel- und Osteuropa, die inzwischen 16,4 Prozent des gesamten bayerischen Außenhandels ausmachen. Unser Handelsvolumen mit Tschechien betrug 2001 über 7,1 Milliarden Euro. Damit liegt Tschechien unter den MOE-Staaten auf dem zweiten und weltweit auf dem siebten Platz der bedeutendsten Handelspartner Bayerns. Die tschechischen Exporte nach Bayern sind in den letzten acht Jahren um das 2,5-fache, die Importe aus Bayern um das Doppelte angestiegen. Mit dem bevorstehenden EU-Beitritt Tschechiens erwarte ich eine noch stärkere Verzahnung unserer Volkswirtschaften und damit eine weitere Zunahme des bilateralen Handels.

Frage:

Der Handelsaustausch bedarf gut funktionierender Verkehrsanbindungen. Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Stand auf Schiene und Straße? Die Autobahn A 6 soll erst 2005 weitgehend fertig sein. Warum hinkt Bayern der Entwicklung hinterher?

Wiesheu:

Der Lückenschluss der A 6 zwischen Amberg-Ost und der tschechischen Grenze bei Waidhaus hat höchste Priorität beim Autobahnausbau in Bayern. Die Verwirklichung dieses Projekts hangt allerdings von der Finanzierung des Bundes ab. Leider war und ist der für den Bundesfernstraßenausbau unzureichend. Bundeskanzler Schröder hat im Februar dieses Jahres zugesagt, wenigsten bis 2005 den Lückenschluss auf der A 6 zwischen Pfreimd (A 93) und Waidhaus (Grenzübergang) sowie bis 2008 den Lückenschluss zwischen Amberg-Ost und Pfreimd (A 93) zu ermöglichen. Bayern wird die Durchführung dieser Verkehrsprojekte mit größtem Nachdruck betreiben.

Bei den Schienenverbindungen zwischen Bayern und Tschechien kommt der Achse Nürnberg-Prag als Bestandteil der Magistrale Paris-Prag besondere Bedeutung zu. Der Ausbau der Schieneninfrastruktur ist Aufgabe der DB und des Bundes; Bayern hat jedoch den Ausbau der Schienenstrecke Nürnberg-Marktredwitz-Landesgrenze (CZ) als länderübergreifendes Projekt zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Die Ertüchtigung dieses Abschnitts, insbesondere die Elektrifizierung, ist gerade auch im Hinblick auf die Osterweiterung dringend erforderlich.

Frage:

Bayern ist einer der führenden Biotechnologie-Standorte in Europa. Forschung, Hightech und Technologie-Entwicklung werden im Freistaat großzügig unterstützt. Bestehen Partnerschaften zu Tschechien? Wird das tschechische Potential an Wissenschaftlern und Ingenieuren eventuell eingebunden?

Wiesheu:

Die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Tschechien in Forschung und Entwicklung ist noch deutlich ausbaufähig. Ziel muss eine weitaus stärkere Vernetzung und Bündelung der Kapazitäten zu beiderseitigem Nutzen sein. Wir unterstützen diesen Prozess aktiv. So ist beispielsweise ein Pilotprojekt zur Förderung der Softwarekooperation mit ausgewählten osteuropäischen Staaten, darunter der Tschechischen Republik, in Vorbereitung. Persönliche Kontakte von Wissenschaftlern sind aus meiner Sicht besonders wichtig für eine langfristig angelegte Zusammenarbeit. Die EU-Kommission stellt erhebliche Mittel für die Förderung der Mobilität europäischer Wissenschaftler bereit, die auch von Wissenschaftlern und Unternehmen in den Beitrittsländern genutzt werden können.

Frage:

Die Europäische Union unterstützt das Zusammenwachsen der Grenzregionen aus den Mitteln des INTERREG-III A-Programms ( EU-Hilfsprogramm für die Beitrittskandidaten- MD). Wird diese Möglichkeit genug genutzt? Oder bestehen hier Reserven? Im Jahr 2001 lag ein beträchtlicher Antragsüberhang vor. Wiederholt sich das in diesem Jahr?

Wiesheu:

Das Programm Interreg III A der EU für die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und die Entwicklung der Grenzräume, wird, in Verbindung mit den EU-Mitteln im Rahmen von PHARE/CBC auf tschechischer Seite, optimal genutzt. Aufbauend auf den Erfahrungen des Vorläuferprogramms Interreg II in den Jahren 1994 bis 1999 und auf der Basis des bayerisch-tschechischen "Raumkonzepts" für den gemeinsamen Grenzraum sind in den Regionen eine Vielzahl gemeinsamer erfolgversprechender Projekte entwickelt und Förderantrage gestellt worden.

Bedingt durch die verspätete Verabschiedung der Leitlinien für Interreg III durch die Europäische Kommission und die Verzögerungen bei der Genehmigung der Programmanmeldung kam es im Jahr 2001 zu einem gewissen Antragsstau. Mittlerweile konnten infolge der guten Zusammenarbeit in bereits drei bayerisch-tschechischen Ausschusssitzungen 80 Projekte mit einem Umfang von rund 31 Millionen Euro an EU-Mitteln eingeplant werden. Das Programm ist damit inzwischen hervorragend angelaufen.

Frage:

Der Freistaat Bayern hilft mit einem Mittelstandskreditprogramm und den seit 2002 bestehenden Sonderkonditionen für Mittelständler im Grenzbereich zu Tschechien gerade zahlreichen kleinen und mittleren Betrieben. Wird das eventuell auch wirtschaftliche Folgen für die angrenzende Region im Böhmischen haben?

Wiesheu:

Wir stehen kurz vor der EU-Osterweiterung. Der gewachsene europäische Binnenmarkt wird beide Seiten dauerhaft zu Gewinnern machen. Kurzfristig werden jedoch kleine und mittlere Unternehmen in den Grenzregionen nach dem Beitritt Tschechiens einem verschärften Wettbewerb ausgesetzt sein, beispielsweise durch das Lohnkostengefälle oder das zu erwartende Fördergefälle. Daher bietet Bayern Mittelständlern und insbesondere Existenzgründern zusätzliche Investitionsanreize; das sind zum Beispiel zinsvergünstigte Darlehen aus dem Bayerischen Mittelstandskreditprogramm.

Damit wollen wir Betriebe im Grenzland halten beziehungsweise neu ansiedeln, eine wirtschaftliche Stabilisierung der Region gewährleisten, aber auch neue Impulse setzen. Starke wirtschaftliche Aktivität in der Grenzregion wird zweifellos von Bayern auf die tschechische Seite ausstrahlen und umgekehrt. Im langsamen Zusammenwachsen des Grenzraumes wird eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung in der jeweiligen Nachbarregion zunehmend als vitales strukturelles Eigeninteresse begriffen werden. (fp)