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Trotz Wirtschaftswachstum nehmen die ausländischen Investitionen in Russland nicht zu

1. Oktober 2002

– Konsultativrat sucht nach den Gründen

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Moskau, 1.10.2002, KOMMERSANT, russ., Konstantin Smirnow

Der Vorsitzende der Regierung der Russischen Föderation, Michail Kassjanow, hielt gestern (30.9.) in Moskau die 16. Sitzung des Konsultativrates für ausländische Investitionen ab. Russische und ausländische Ratsmitglieder versuchten eine der geheimnisvollsten Fragen der Ära von Wladimir Putin zu lösen: wieso nehmen die ausländischen Investitionen ungeachtet der politischen Stabilität und des Wirtschaftswachstums nicht nur nicht zu, sondern gehen faktisch zurück? Die Antwort wurde gefunden: Es liegt am Misstrauen gegenüber russischen Bankiers.

Der Konsultativrat für ausländische Investitionen ist im Juni 1994 von Wiktor Tschernomyrdin und dem Unternehmen "Ernst & Young" als kollektiver Vertreter der Interessen ausländischer Investoren gebildet worden. Der Sinn seiner Tätigkeit besteht darin, in Russland für sie verständliche Spielregeln auf dem russischen Markt festzulegen. (...)

Der russische Premier berichtete den Ratsmitgliedern über die Erfolge der russischen Wirtschaft. Und er hatte etwas zu berichten. Nach den gestrigen Voraussagen von Michail Kassjanow wird der Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes in Russland im Jahr 2002 nicht, wie das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung vorausgesagt hatte, 3,6 Prozent, sondern ganze vier Prozent betragen. Erst vor einigen Tagen war die Rede von 3,9 Prozent. (...) Der Premier berichtete ferner, welche Erfolge die russische Wirtschaft erzielt hat: die Steuerlast sei bereits um vier Prozent reduziert worden, im Jahr 2003 soll ein weiteres Prozent abgebaut werden, die Devisenbestimmungen seien vereinfacht, der "Schutz des geistigen Eigentums" sei verstärkt worden. Entgegen der Tradition schloss der Premier seinen gestrigen Bericht mit einer kritischen Passage ab. Er sei über das niedrige Tempo des Investitionszuwachses insgesamt besorgt – nur 2,5 Prozent im August. Besonders beunruhige ihn, dass die ausländischen Investitionen zurückgehen. Nach Angaben des Statistikamtes sieht alles gar nicht so schlecht aus. Die ausländischen Investitionen haben im ersten Halbjahr sogar zugenommen. Michail Kassjanow unterstrich, zu der guten Zahl sei es wegen der Zunahme der Kredite gekommen und nicht dank direkten ausländischen Investitionen.

Der Premier kommt bereits den Empfehlungen der Ratsmitglieder nach, was die Reduzierung der Devisenverkäufe, die Devisenkontrolle und den Übergang 2004 zu internationalen Standards bei der Buchführung angeht.

Die Ratsmitglieder wandten sich auch den russischen Reformen zu, besonders denen, die vorläufig stocken – der Banken- und der Zollreform. Wie kann in ein Land investiert werden, dessen Banken nicht einmal die eigenen Bürger vertrauen? Wie können neue Geräte in ein Land gebracht werden, in dem die Zöllner die Gebühren nicht nach dem Wert der Ware festlegen, sondern nach der Zahl der Fuhrwerke? (...)

Die ausländischen Mitglieder des Konsultativrates sind eine Art Lobby, die bei der russischen Regierung sogar Unmögliches erreichen kann. Sie konnten zum Beispiel durchsetzen, dass die Steuergesetzgebung in Russland nicht verschlechtert wurde. Das bedeutet, dass man nicht daran zu zweifeln braucht, dass die Banken- und die Zollreform jetzt anlaufen werden, egal was Sergej Ignatjew (Zentralbankvorsitzender – MD) und Michail Wanin (Leiter der staatlichen Zollbehörde – MD) unternehmen werden. (lr)