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Trotz Haft: Internet-Dissident will weitermachen

Shi Ming8. Juni 2005

Nach fünf Jahren Haft ist der chinesische Internet-Dissident Huang Qi frei. Er hatte 1999 ein Internetportal gegründet, mit dem Chinesen ihre aus politischen Gründen verschleppten Angehörigen wieder finden sollten.

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Wegen einer Website musste Huang Qi ins GefängnisBild: AP

Das Portal namens "Tianwang" wollte sich die Regierung in Peking nicht gefallen lassen. Kurz nach dessen Gründung 1999 wurde Huang Qi inhaftiert - blieb zunächst fast zweieinhalb Jahre ohne Urteil. 2003 wurde der Dissident aus Sichuan schließlich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Jetzt in Freiheit ist sein größter Wunsch "das Internet-Portal 'Tianwang' wieder aufzubauen und gemäß einschlägigen Bestimmungen unserer Verfassung die Grundrechte der Menschen schützen zu helfen." Seine Aufmerksamkeit gelte dabei vor allem sozial hilf- und ratlosen Menschen. Außerdem möchte Huang Qi zur Aufdeckung von Korruption in China beitragen.

"Dann könnten viele die Wunden sehen"

In Bezug auf den Schutz von Menschenrechten will er jetzt auch die Grundrechte der Inhaftierten mit einbeziehen, wobei er auf seine eigenen Erfahrungen zurückgreifen kann. "Ich wurde im Gefängnis misshandelt. Um ihr Ziel zu erreichen, sind die zu allem fähig", erzählt Huang Qi. Anderthalb Jahre habe er auf dem nackten Boden schlafen müssen und sich über 100 Tage in Einzelhaft befunden. "Um mich mundtot zu machen, um mich zu brechen, haben sie mir so zugesetzt, dass die Wunden an meinem Kopf bis heute nicht verheilt sind", schildert er. Er sei kahlgeschoren aus der Haft gekommen.

Nun soll ihm die Rückkehr in seine Heimatstadt Chengdu verweigert werden – "Denn dann könnten viele die Wunden sehen", vermutet Huang Qi. Seine Einschätzung einer solchen Behandlung: "Lass es mich so ausdrücken: Dass, was ihr Deutsche vor sechzig Jahren gehabt habt, davon wiederholt sich so manches im China des 21. Jahrhunderts immer noch."

Lädiert, aber ungebrochen

Huang Qi leidet aufgrund der Misshandlungen an Rheuma und Herzrhythmusstörungen. Und unter den Bedingungen für seine Freiheit: Er dürfe keine Organisation gründen, schon gar keine Partei. Ob sein Internetportal auch zum Verbotenen gehört, ist ungewiss - die immer stärker werdende Zensur im chinesischen Cyberspace lässt nichts Gutes ahnen. Huang Qi bleibt trotzdem optimistisch, weil er nicht allein für diese Sachen aktiv sei und es viele gebe, die mit ihm die gleichen Prinzipien teilen. Das Weitermachen hält er für ein gemeinsames Anliegen, das gelingen könnte. Außerdem ist er der Überzeugung, "dass wir ganz anders fühlen als jene, die in Angst und Schrecken leben müssen. Ich bin überzeugt: Demokratie und Freiheit sind ausschließlich tapferen Völkern vorbehalten. Sie gehören nicht zu schwachen und feigen Nationen oder Menschengruppen."

Zurückgekehrt in die chinesische Realität, ist der gelernte Kaufmann mit der Not des nackten Überlebenskampfes konfrontiert. Mit einer 500-US-Dollar Spende einer amerikanischen Stiftung für Demokratie und Menschenrechte konnte er immerhin die Hälfte der Mieten für ein ganzes Jahr begleichen. Wo die andere Hälfte herkommen soll, weiß er nicht. Aus seiner Not macht der körperlich lädierte, geistig aber ungebrochene Mann keinen Hehl und bittet um jede Hilfe aus dem Ausland.

"Schlimmer und schlimmer"

"Was mein Alltagsleben angeht, so wird es schlimmer und schlimmer, anders als früher." Früher sei seine Lage in Chengdu recht gut gewesen – was er als Gewinn aus seinen Geschäften heraus bekam, konnte er in das Portal investieren. Nun aber haben sich laut Huang Qi alle Probleme zugespitzt, auch die finanziellen. Unterstützung in diesem Sinne brauche er allemal: "Denn nur wenn immer mehr Menschen sich um die gemeinsame Sache kümmern, kann uns die Sache auch gelingen." Schließlich seien die Menschenrechte keine Exklusivrechte nur für einige, sondern für alle.