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Trotz großer Aktivität sind die Neonazis keine ernstzunehmende politische Kraft in Polen

23. Mai 2003
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Posen, 18.5.2003, WPROST, poln.

Etwa 10 000 Jugendliche werden in diesem Summer in Polen von den Neonazis geschult. (...) Anfang Mai wurde die "Nationale Sommeraktion" gestartet. Bis September d. J. werden etwa 10 000 junge Leute an den Schulungen teilnehmen, die von der internationalen Naziorganisation International Third Position (ITP) organisiert wurden. ITP wird in Polen u. a. von den Organisationen "Nationale Wiedergeburt Polens (NOP), Polnische Verteidigungsliga, White Legion, von den Nationalsozialisten und der neoheidnischen Organisation Niklot vertreten. Weitere zigtausend Jugendliche werden sich an den Rockkonzerten mit nationalistischem Hintergrund beteiligen.

Die meisten Schulungen und Lager in Polen werden von den Organisationen ITP und NOP veranstaltet. Dazu gehört z. B. das Sommerlager in Duszniki. Janusz Bryczkowski, der Spitzenvertreter der Nationalen Front, organisiert aber auch viele Veranstaltungen auf seiner Farm in der Region Masuren.

Trotz des Elans der Sommeraktion bilden die Neonazis keine ernstzunehmende politische Kraft in Polen. Ihre Zahl ist nicht höher als 5 000. Wirklich Radikale gibt es nicht mehr als 1 000. Ein Problem ergibt sich aber aus der Tatsache, dass 70 Prozent der von ihnen veranstalteten Schulungen und Lager unter der Bezeichnung "Survival" und dazu noch ohne jegliche Bezahlung stattfinden. Dies bedingt, dass viele Teilnehmer keine Ahnung davon haben, welchen Charakter diese Veranstaltungen haben und von wem sie in Wirklichkeit organisiert wurden.

Fünfzig junge kahlköpfige Männer in schwarzen T-Shirts und Hosen, in schwarzen Jacken vom Typ Harrington und mit schweren Schuhen bekleidet haben ihre Zelte während des langen Wochenendes Anfang Mai in der Nähe des Berges Sleza und der Ortschaft Sobotka (Zobten am Berge) aufgeschlagen. Die Reporter von "Wprost" sprachen mit zwei Teilnehmern dieses Lagers (...), das von der Neonazigruppe White Revolution veranstaltet wurde und an dem sich u. a. auch acht Mitglieder der Organisation Nationale Wiedergeburt Polens und fünf Mitglieder der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) beteiligten. (...)

Nach dem Frühstück gab es Vorlesungen, die von den deutschen Gästen gehalten wurden. Am Beispiel von Angriffen auf Türken oder des In-Brand-Steckens von Geschäften, die Arabern oder Vietnamesen gehören, sowie anhand von Straßenschlachten mit der Polizei wurden neue Techniken des Kampfes gegen die Farbigen und die "Verräter der arischen Rasse" erörtert.

Das während der Schulungen gewonnene Wissen wird dann in die Praxis umgesetzt. Allein im letzten Jahr gab es etwa 1 000 Übergriffe, bei denen Skinheads und Neonazis die erste Geige spielten. In dem Ort Brzeg (Brieg) wurde z. B. eine Roma-Familie von einer Gruppe Neonazis überfallen. Die Frau wurde vergewaltigt und der Mann brutal niedergeschlagen. In Gliwice (Gleiwitz) wurde eine Frau, die mit einem farbigen Kind spazieren ging, mit Steinen beworfen. (...)

"Bei uns gibt es eine spezielle Einheit, die die Aktivitäten der Neonazigruppen überwacht. Über die Tätigkeiten der lokalen radikalen Gruppen werden auch die jeweiligen Polizeiwachen informiert", sagt Kommissar Andrzej Galuszka von der Hauptkommandantur der Polizei. (...)

Trotz der Tatsache, dass es im Jahr etwa 1 000 Übergriffe mit Beteiligung der Nationalisten und Neonazis gibt, werden aber nur wenige Urteile gegen sie verhängt. Im letzten Jahr verurteilte das Gericht in Krakau den 26jährigen Wieslaw M. wegen Mordes an einem Obdachlosen. Das Gericht in Olsztyn verurteilte drei Neonazis, die an der Ermordung eines 21jährigen beteiligt waren, zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten bis zu elf Jahren. (...)

In den letzten Jahren werden immer mehr Schulungen und Lager der Neonazis organisiert, weil die Selbstverwaltungen kein Recht haben, den offiziell registrierten Gruppierungen dies zu untersagen. (...)

Die während der Sommeraktion rekrutierten Jugendlichen müssen sich weder wie die anderen Neonazis kleiden noch ihren Schritten folgen. Es reicht völlig aus, dass sie bereit sind, sich an den Sonderaktionen zu beteiligen und dass sie sich mit Hilfe von speziellen Symbolen und Codes verständigen können. Die Eltern merken oft nicht einmal, dass ihr Kind von den Nationalradikalen rekrutiert wurde. (...) (Sta)