1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

CDU setzt auf Europa

14. November 2011

Die deutschen Christdemokraten wollen sich auf ihrem an diesem Montag beginnenden Parteitag für eine Stärkung der Europäischen Union aussprechen. Gleichzeitig fordern sie schärfere Maßnahmen gegen Schuldensünder.

https://p.dw.com/p/138wL
Der CDU-Parteitag von Karlsruhe 2010 (Foto: dpa)
Vor einem Jahr kam die CDU in Karlsruhe zusammenBild: picture alliance / dpa

Mitten in der europäischen Schuldenkrise erwartet die CDU auf ihrem Parteitag (14. und 15.11.2011) in Leipzig heftige Diskussionen vor allem zu innenpolitischen Themen wie den Bildungsreformen. Beim Streitthema Mindestlohn hat sich die CDU-Spitze allerdings kurz vor Beginn des Parteitags auf einen Kompromiss geeinigt. Demnach soll die Ausgestaltung einer Lohnuntergrenze einer Kommission überlassen und auf die ausdrückliche Orientierung am Stundenlohn der Zeitarbeit verzichtet werden. Auch zu dem dem 24-seitigen Leitantrag des Parteivorstands mit der Überschrift "Starkes Europa – gute Zukunft für Deutschland", der gleich zu Beginn zur Abstimmung steht, zeichnen sich kaum Kontroversen ab. Zwar rechnet man bei der CDU damit, dass auch Euro-Skeptiker wie Klaus-Peter Willsch, der im Bundestag gegen das letzte Griechenland-Rettungspaket gestimmt hatte, das Wort ergreifen werden. Doch sie werden keine große Rolle spielen. Alles spricht dafür, dass der Parteitag in Leipzig den großen Schulterschluss mit der Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, üben wird.

Merkel am Rednerpult, dahinter CDU-Logo (Foto: pa/dpa)
Die CDU dürfte Angela Merkels Europolitik folgenBild: picture-alliance/dpa

Damit steht die CDU in deutlichem Kontrast zu ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU, die fünf Wochen zuvor in Nürnberg ihren Parteitag hatte. Schon bei der Erstellung des europapolitischen Leitantrags der Christsozialen hatte es erhebliche Kontroversen zwischen Europa-Begeisterten und Euro-Skeptikern gegeben. Auf dem CSU-Parteitag selbst scheiterte dann der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, der den Euro bei seiner Einführung als "Esperanto-Geld" verspottet hatte und zuletzt gegen Finanzhilfen für Griechenland vor das Verfassungsgericht gezogen war, nur knapp mit seiner Bewerbung um den stellvertretenden Parteivorsitz.

Absage an Populismus

Nichts dergleichen ist bei der CDU zu erwarten. Ihre Parteitags-Delegierten, die überwiegend der mittleren Funktionärsschicht angehören, bekommen zwar von einfachen Mitgliedern häufig massiven Unmut über die immer neuen Rettungsaktionen für klamme Eurostaaten zu hören. Diesem Unbehagen an der Basis trägt der Leitantrag des Vorstands auch Rechnung, indem er detailliert ausführt, wie verschärft gegen Staaten mit überhöhter Verschuldung vorgegangen werden soll. Die Forderungen gehen bis hin zur Einsetzung eines "EU-Sparkommissars" mit "Durchgriffsrechten" auf die nationalen Behörden, "falls der jeweilige Staat seinen Pflichten nicht nachkommt". Anders als im CSU-Beschluss findet sich aber nicht als letzte Konsequenz die Forderung, dass der betreffende Staat den Euro aufgibt. Stattdessen heißt es in dem CDU-Papier: "Wir werden den Vereinfachern und Populisten standhalten und immer wieder auf die bereits erzielten Erfolge hinweisen."

Die CDU versteht sich als die Europa-Partei

Archivnild von 1967: Konrad Adenauer, hinter ihm steht Helmut Kohl (Foto: pa/dpa)
Europa als Vermächtnis: Die Christdemokraten Konrad Adenauer (r.) und Helmut Kohl 1967Bild: picture-alliance/ dpa

Die CDU wird damit weiterhin ihrem Selbstverständnis gerecht als deutsche Europa-Partei. Ihr erster Parteivorsitzender Konrad Adenauer hatte sich, wie auch andere Christdemokraten der ersten Stunde, bereits zwischen den beiden Weltkriegen in der Paneuropa-Bewegung engagiert. Was damals ein aussichtsloses Unterfangen gegen den in Europa dominierenden Nationalismus war, setzte Adenauer nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Gleichgesinnten wie dem Italiener Alcide de Gasperi und dem Franzosen Robert Schuman in die Tat um. Unter Helmut Kohl erfuhr die europäische Einigung dann weitere wichtige Impulse wie die Osterweiterung der EU und die Einführung des Euro.

Der letzte CDU-Vorsitzende mit einer emotionalen Begeisterung für Europa war der jetzige Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die amtierende Parteichefin Angela Merkel dagegen hat auf dem Höhepunkt der europäischen Verhandlungen zur Euro-Rettung ihren Vor-Vorgänger Kohl zu dem Vorwurf veranlasst: "Die macht mir mein Europa kaputt." Merkel betreibt den weiteren Zusammenschluss Europas eher aus einer nüchternen Interessenabwägung heraus. Denn sie sieht, dass in der heutigen und künftigen Welt Deutschland seine Interessen besser im europäischen Verbund durchsetzen kann als alleine. Emotional besetzte Ziele wie das der Vereinigten Staaten von Europa finden sich schon in dem unter ihrer Führung verabschiedeten CDU-Grundsatzprogramm von 2007 nicht mehr.

Das Ziel bleibt, nur die Worte sind nüchterner

Von dem noch in diesem Parteiprogramm formulierten "langfristigen Ziel, eine Verfassung für die Europäische Union zu schaffen", ist in dem jetzt in Leipzig zur Abstimmung stehenden Papier auch nicht mehr die Rede. Doch auch ohne solche symbolhaften Worte fordert der Antrag, "die Europäische Union als starke Politische Union" zu gestalten. Konkret geht das dann bis hin zu dem langfristigen Ziel einer "Verteidigungsunion mit europäischen Streitkräften". Der Europa-Leitantrag steht damit, auch wenn er nüchterner formuliert ist als frühere Beschlüsse, durchaus in der europapolitischen Tradition der Christdemokraten seit ihrer Gründung 1945.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Nina Werkhäuser / Ursula Kissel