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Trinkgläser aus Zucker

Suzanne Cords2. Oktober 2002

Nachwachsende Rohstoffe wie Kartoffeln, Zuckerrüben oder Grasschnitt wollen Forscher aus Göttingen als Produktionsmaterial verwerten. Einsatzmöglichkeiten könnten der Fahr- und Flugzeugbau bieten.

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Ein schöner Anblick und ein wertvoller Rohstoff: RapsBild: AP

Im tiefsten Mecklenburg-Vorpommern inmitten von Feldern und Wiesen liegt das verschlafene 600 Seelen-Dorf Gülzow. Kaum jemand, der sich zufällig hierer verirrt, ahnt, dass in diesem Ort Zukunft geschrieben wird. In einem schmucken Backsteinbau sitzt seit 1993 die Fachagentur "Nachwachsende Rohstoffe", eingerichtet vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Aufgabe der Agentur ist vor allem die Förderung von Ideen, wie man aus Raps, Zucker, Kartoffeln, Weizen und Mais, aus Hanf oder Holz hochwertige und gleichzeitig umweltgerechte Produkte herstellen kann.

"Aus dem Rohstoff Zucker können Sie mit Kunststoff vergleichbare Werkstoff herstellen, die im Grunde genommen genau so durchsichtig sind wie ein Glas und insofern einen Riesenvorteil haben, sie sind biologisch abbaubar", erklärt der Geschäftsführer der Agentur, Andreas Schütte. "Proteine können Sie sehr schön für die Herstellung von Reifen einsetzen, so dass dort viel bessere Hafteigenschaften erreicht werden", sagt er und fügt hinzu: "Es ist nicht so, wenn sie 100 km gefahren sind, dass sie dann auf der Felge stehen, die Dinger halten schon."

Europäische Zusammenarbeit

Ob Joghurtbecher, Kinderspielzeug, Trinkgläser, Linoleum, Arbeitshelme, Dämmmaterialien, Bauklötze für Kinder oder sogar Windeln: Die Liste nimmt kein Ende. Entwickelt werden solche Produkte nicht von einsiedlerischen Erfindern, sondern von Wirtschaftsunternehmen und Hochschulen. Auch in anderen EU-Ländern wie Frankreich, Italien, England und Österreich wird eifrig geforscht. Europäische Zusammenarbeit wird groß geschrieben: so liegt zum Beispiel das Modellprojekt zum effektiven Einsatz von Biobrennstoffen gemeinsam in belgischer und deutscher Hand.

Bei allen Vorhaben mangelt es freilich oftmals am dringend benötigten Kapital. In Deutschland investiert die Fachagentur "Nachwachsende Rohstoffe" rund 26 Millionen Euro jährlich in circa 300 Forschungsvorhaben, weitere 10 Millionen sollen im Rahmen eines Markteinführungsprogramms für Akzeptanz beim Verbraucher sorgen. Einfach ist das nicht, denn die umweltfreundlichen Produkte sind derzeit noch teurer als ihre herkömmlichen Verwandten.

Rund 850.000 Hektar Ackerland stehen zur Zeit in Deutschland für nachwachsende Rohstoffe bereit. Den größten Anteil nimmt laut Schütte der Raps ein, und zwar deswegen, weil es zu Biodiesel umgewandelt wird, der schon in vielen Tankstellen hier in Deutschland zu erhalten ist. Schütte geht davon aus, dass dieser Treibstoff bis 2020 einen Marktanteil von fünf bis zehn Prozent haben wird.

Projekt Zukunft

Die optimistischen Angaben beziehen sich allerdings nicht nur auf Deutschland, sondern auf den gesamten Euro-Raum. "Wir arbeiten hier aber auch auf europäischer Ebene in verschiedenen Projekten, die dann - gefördert von der Europäischen Union - hier durch uns betreut werden", sagt Schütte. Die Pioniere versuchen alle ihre Aktivitäten gemeinsam mit der Industrie auf den Weg zu bringen. Nichtsdestotrotz gebe es aber verschiedene Gruppen, die ihre Versuche weniger wohlwollend begleiten. Den Grund dafür sieht er in Vorgaben von der EU, die bei diesen Projekten eingehalten werden müssen. Daran wollten sich einige Unternehmen nicht halten. Nach Schüttes Überzeugung würden diese aber irgendwann erkennen, dass sie den Anschluss an eine wichtige Entwicklung verpassen.

Mit EU-Beitrittskandidaten wie Polen oder Ungarn kooperiert die Agentur schon lange. Ein Grund dafür: Dort tun sich fast unendliche Ackerflächen auf - wie geschaffen für nachwachsende Rohstoffe.