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Treten statt Kicken

7. November 2001

Früher wurde in der italienischen Serie A der Ball gestreichelt, heute wird der Gegner getreten.

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Wo bleibt das Ballgefühl?Bild: AP

Die einstmals beste Liga der Welt mit ihrem Ensemble internationaler Ballkünstler hat sich in eine Arena der Gladiatoren verwandelt. "Der italienische Fußball ist zu einem unansehnlichen Horror verkommen", schimpft die "La Gazzetta dello Sport". Fehlt eigentlich nur noch, dass die Spiele in Rom vom Olympiastadion ins Kolosseum verlegt werden. In der höchsten Spielklasse gibt es in dieser Saison so viele Fouls wie noch nie.

Nur der Schiri kann noch helfen

Spielmacher Rui Costa vom AC Mailand wurde Anfang der Saison der Ellenbogen ausgerenkt, Hernan Crespo und Andrej Schewtschenko das Nasenbein gebrochen. Versteckte Fouls, an Körperverletzung grenzende Ellenbogenchecks. Erlaubt ist, was der Schiedsrichter nicht sieht. Und die Unparteiischen sehen nicht viel. "Schiedsrichter, rettet unseren Fußball", flehte deshalb die "La Gazzetta dello Sport". Und die Schiedsrichter haben den Hilferuf erhört. Auf einem Krisengipfel in Rom beschlossen sie härter durchzugreifen.

Rekordverdächtig: 69 Fouls in 90 Minuten

Dies war längst überfällig: 3086 Fouls nach acht Spieltagen sind trauriger Rekord. Gleichzeitig wurden die Schiedsrichter immer nachsichtiger. Zeigten sie vor vier Jahren bei deutlich weniger Fouls noch 395 Mal Gelb und 46 Mal Rot, waren es in dieser Saison nur 319 gelbe und 27 rote Karten. Den Negativrekord in der laufenden Spielzeit hält die Partie US Lecce gegen Atalanta Bergamo. In 90 Minuten brachten es die als Fußballer verkleideten Gladiatoren auf 69 Fouls. Alle eineinhalb Minuten wurde das Spiel unterbrochen. In Europa werden im Durchschnitt rund 30 Fouls pro Spiel gepfiffen. Als Chievo Verona am Sonntag durch ein 0:0 in Venedig seine Tabellenführung verteidigte, brachten es beide Teams auf 50 Fouls und 11 gelbe Karten.

Italiens "Treterclub" Nummer eins ist nach acht Spielen Hellas Verona mit 230 Fouls gefolgt von Atalanta Bergamo mit 196 und AS Rom mit 189. Die fairste Mannschaft ist mit bisher 149 Fouls Venedig. Als Tabellenletzte sind die Venezianer derzeit aber auch das erfolgloseste Team Italiens. Ein Schelm, der zwischen Fairness und fehlenden Punkten einen Zusammenhang sieht.

"Fußball ist eben mit Körpereinsatz verbunden"

"Wir begehen keine brutalen Fouls. Die Fouls passieren beim Pressing", verteidigte Bergamos Trainer Alberto Malesani seine Mannschaft. Auch Trainerkollege Fabio Capello vom Meister AS Rom sieht keinen Grund zu mehr Rücksicht. "Fußball ist eben mit Körpereinsatz verbunden", meinte der "Meistermacher" lapidar. Die am meisten gefährdeten Körperteile auf italienischem Rasen sind die Knöchel der Spielmacher. Gezielt werden "Fantasisti" wie Brescias Roberto Baggio oder Juventus Turins Stürmerstar Alessandro Del Piero ausgeschaltet. "In Italien wird systematisch und gezielt gefoult", klagt Del Piero, der "ein härteres Durchgreifen der Schiedsrichter" fordert.