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fernschreiber

20. Februar 2008

Im EU-Parlament fand eine Kosovo-Debatte statt, die ihren Namen nicht wert war - auch, weil wenige Abgeordnete die Volksvertretung besuchten.

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Bild: DW

Wenn Brüssel der Nabel Europas ist - und für die meisten hier ist er das - dann ist Straßburg vielleicht der kleine Zeh. Man hat ihn, aber man fragt sich, wozu man ihn eigentlich braucht? Zum laufen ja wohl sicher nicht, dass geht auch ohne. Nun muss der Einwand kommen: Aber da sitzt doch auch das Europäische Parlament! Ja, allerdings nur manchmal und zum Glück sitzt es ja auch in Brüssel. Man muss also nicht gleich Parlamentsgegner sein, nur, weil man Straßburg nicht mag.

Ich mag Straßburg nicht, und das hat seinen Grund. Zum Beispiel die heutige Debatte über den oder das Kosovo. (Jeder, auch im Parlament, nennt "das neue Gebilde", "den neuen Staat" anders). Ich denke, man muss kein Euro-Apokalyptiker sein um festzustellen, dass die EU mit ihrer Zerstrittenheit über das Kosovo gerade die größtmögliche Bauchlandung hingelegt hat. Ein Desaster: Für Deutschland zum Beispiel ist da ein neuer Staat, für Spanien nicht. Die EU kann also dem Kosovo weder Geld geben, noch mit ihm über Beitritt verhandeln noch sonst irgendwas unternehmen, denn für einen Teil der EU gibt es dieses Land ja gar nicht.

Testfall für Europa

Die wohl wichtigste Zeitung der Welt, die "International Herald Tribune", stellt fest, dass die Kosovo-Frage für die EU ein Testfall ist, ob sie in einer Liga mit den USA spielt, oder ob sie nicht doch ein politischer Winzling ist. Wahrscheinlich hat sich die EU gerade mal wieder als Winzling entpuppt. Und damit zurück ins Parlament: Während in der „Trib“ auf Seite 3 die ganze Tragweite besprochen wird, ist die „Tribüne“ im Parlament fast leer. Und ich sitze in Brüssel vor dem Fernseher.

Eine Hand voll Volksvertreter sitzt da, manchmal steht sie auch, und repräsentiert die Vielfalt der Europäer. Beim Thema Kosovo müsste jetzt eigentlich großer lauter Katzenjammer kommen. Und was ist? Auf den Abgeordneten Szymanski folgt nach einer (!) nüchternen Minute Herr Lagendijk für sachliche 90 Sekunden, um dann von Herrn Wurtz abgelöst zu werden.

Festgelegte Redezeiten im leeren Rund

Wenn europäisches Wundenlecken so aussieht, dann fresse ich einen Besen! Nach einem Ausscheiden Italiens bei einer Fussball WM etwa - und ähnlich dramatisch ist die Lage - wären die Piazzas doch voller Leute. Jeder hätte eine andere Erklärung parat, man würde sich in Rage reden und alle wären dabei. Und in Straßburg? Festgelegte Redezeiten im leeren Rund!

Vor der Kosovo-Debatte wurde vom Parlament feierlich der EU-Reformvertrag verabschiedet. Darin enthalten: mehr Rechte für die Abgeordneten. Ich finde, sie sollten eigentlich das Recht bekommen, oder sich nehmen, den Zustand Europas wirklich zu debattieren. Vor versammelter Mannschaft, in Brüssel und ohne Zeitlimit! Sonst lese ich lieber Zeitung.

Fabian Hainzl