1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Trauma Österreich

Gerda Meuer/ (jf)18. Mai 2002

Bossi, Fortuyn, Le Pen - Rechtspopulisten sind in Europa auf dem Vormarsch. Doch die EU hält sich mit Meinungsäußerungen zurück: Ihre Sanktionen gegen Österreich erwiesen sich als Eigentor.

https://p.dw.com/p/2B55
Der Regierungsbeitritt seiner Partei stieß auf europaweite Kritik: Jörg HaiderBild: AP

Brüssel blickt mit Vorsicht auf die neuen populistischen Parteien und Bewegungen in Europa. Ob Italien, Dänemark, Portugal, Frankreich, oder die Niederlande - bislang gab es keine deutliche Reaktion aus "Europas heimlicher Hauptstadt" zu der politischen Entwicklung in diesen Ländern.

Prinzip der Nichteinmischung

Grundsätzlich argumentiert die EU-Kommission, sie mische sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates ein. Doch die derzeitige Zurückhaltung ist so nur zum Teil zu erklären. Denn die Europäische Union versteht sich auch als eine Union der Werte-Gemeinschaften, in der eben nicht jeder machen kann, was er will.

Vielleicht wirkt die traumatische Erfahrung der Sanktionen gegen Österreich nach: Als dort vor zwei Jahren die Konservativen mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider eine Koalition schlossen, hatte die EU sofort reagiert und diplomatische Sanktionen gegen Österreich beschlossen. Die EU verdächtigte das Alpenland, fremdenfeindliche Haltungen auf der europäischen Bühne salonfähig zu machen.

Österreich am Pranger

Und so sah sich ein demokratisches und bislang respektiertes Land plötzlich an den Pranger gestellt: Österreich war monatelang aus den unterschiedlichsten Entscheidungsgremien ausgeschlossen und seine Vertreter kaltgestellt. Alle offiziellen Kontakte mit Österreich wurden eingefroren.

Die EU funktionierte damals nur deshalb weiter, weil die Regierung in Wien stoisch alle Demütigungen ertrug. Nach einem halben Jahr war dann der Spuk vorbei: Österreich konnte wieder gleichberechtigt am Tisch mit den anderen 14 EU-Staaten sitzen.

Gestufte Sanktionen

Ein solches politisches Desaster will wohl keiner ein zweites Mal erleben. Seit dem Gipfel von Nizza gibt es auch ein Prozedere, wie die Union vorgehen kann, falls sie die demokratischen Spielregeln in einem der Mitgliedsstaaten bedroht sieht: Mindestens fünf Länder müssen einen Antrag stellen, dass sie in einem EU-Staat die Menschenrechte bedroht sehen. Dann wird ein "Rat der Weisen" eingesetzt, der die Vorwürfe überprüfen muss. Erst danach können Sanktionen verhängt werden.

Tagesgeschäft der Union geht weiter

Doch zu so einem Schritt hat sich die Europäische Union noch nicht entschlossen. Erstes Beispiel Italien: Als im Mai vergangenen Jahres Silvio Berlusconi eine Koalition mit den Regional-Separatisten der Lega Nord und der Nationalen Allianz, der Nachfolgepartei der Neo-Faschisten schloss, fand man das in Europa zwar unappetitlich - die Geschäfte der Union wurden aber nicht gestört.

Ebenfalls keine Konsequenzen zog die EU, als in Dänemark eine rechtsliberale Minderheitskoalition mit Billigung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei an die Regierung kam. Und ohne Reaktion blieb der Erfolg des ermordeten Populisten Pim Fortuyn bei den letzten Kommunalwahlen in den Niederlanden.

Besorgte Gespräche

Als jüngst der Rechtsextremist Le Pen bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich so gut abschnitt, war dies sicherlich Anlass für viele besorgte Gespräche in den verschiedenen EU-Zirkeln. Bundeskanzler Gerhard Schröder mahnte bei seinem Krisenbesuch in Brüssel im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Romano Prodi an, die EU müsse den Menschen näher gebracht werden. Man dürfe nicht versäumen, die Entscheidungen, die man treffe, zu erklären, so Schröder.

Dahinter steckt die Erkenntnis: Zulauf erhalten die Rechtspopulisten auch, weil sie gegen die Allmacht Brüssels argumentierten und Renationalisierung forderten. Die Europa-Kritik der Ultra-Rechten ist populär, weil die Brüsseler Entscheidungen oft undurchsichtig wirken.