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"Traps Army" strippt für den Trainer

Peter Wozny14. Juni 2012

Fanfeste, EM-Songs und Autofähnchen heizen die EM- Stimmung in Deutschland an. Den irischen Fans reicht dagegen schon ein Double von Trainer Trapattoni zur Ekstase, hat DW-Reporter Peter Wozny beobachtet.

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Irische Fans feiern auf der Tribüne (FOTO: Pressefoto ULMER/Andreas Schaad)
Bild: picture-alliance/Pressefoto Ulmer

"Dzień dobry!" rufe ich über den Platz, das heißt "Guten Morgen". Als Antwort bekomme ich nur ein paar irische Flüche. Im Fancamp zwischen Danzig und Sopot sollte man morgens besser nur flüstern. "Traps Army", wie sich die irischen Fans in Anlehnung an Irlands Nationaltrainer Giovanni Trapattoni selbst nennen, muss sich noch von der Schlacht am Vorabend erholen.

Ein Double löste den Flashmob aus

Es begann kurz nach Ende der Fußballübertragung, als ein Double des Trainers Trapattoni den Marktplatz von Sopot überquerte. Ein weißhaariger Herr im Trainingsanzug, der dem Italiener ziemlich ähnlich sah. Zwei Iren brachten ihm spontan ein Ständchen. Schnell kamen einige Landsleute hinzu und sangen mit. Nun strömten aus den umliegenden Kneipen mehr und mehr Iren zum Marktplatz, an dessen Nordseite sich das Teamhotel befindet. Am Ende feierten rund 1000 Fußballfans in grünen Irland-Trikots den falschen Trapattoni. Und das Repertoire an irischen Fußballsongs schien nicht enden zu wollen.

Irische Fans lachen (Foto: Wozny/DW)
Humorvoll und ihrem Trainer treu ergeben: Irische FansBild: DW

Ein Fan zog einen Schuh aus, hielt ihn in die Luft, Minuten später sah ich 1000 Schuhe. Es blieb natürlich nicht bei den Schuhen. Auch Trikots, Socken und Hosen flogen schließlich über den Marktplatz. Ein Massenstrip zu Ehren des Trainers, der Irland zum ersten Mal seit 1988 wieder zu einer EM geführt hat. Auch wenn ihr Team bei diesem Turnier nur ein Außenseiter ist, werden die Iren einen bleibenden Eindruck hinterlassen: extrem laut aber äußerst friedlich und unterhaltsam.

Polnische Fans beim Public Viewing (Foto: dpa)
An Spieltagen der eigenen Mannschaft kleidet sich ganz Polen in weiß-rot und fiebert beim Public Viewing mitBild: picture-alliance/dpa

Ein Huhn und ein Pferd für Spanien

Die Spuren der Nacht sind noch deutlich zu sehen, während ich vom Fancamp weiter an der Küste entlang laufe. Ich treffe auf einige spanische Fans. Einer ist als Huhn verkleidet, ein anderer als Pferd. Andere Länder, andere Fankulturen. Die Italiener haben offensichtlich nur weibliche Fans im Schlepptau, die Niederländer ertränken ihren Frust mit Bier aus ihrer Heimat, das hier in fast jeder Kneipe ausgeschenkt wird. Und die deutschen Fans? Die erkennt man am Reiseführer in der Hand.

Interessant sind auch die Polen: Die Fans des Gastgebers gehen zwischen ihren Spielen in eine Art Standby-Modus. Dann verschwinden die weiß-roten Trikots im Schrank und über die EM und ihr Team wird kaum geredet. Am Spieltag aber tragen scheinbar alle Polen das Jersey ihrer Mannschaft, Straßen und Fenster sind mit Fahnen geschmückt und die Kneipen mit Fernseher müssen wegen Überfüllung geschlossen werden. Bei polnischen Toren habe ich gelernt in Deckung zu gehen, damit ich nicht wieder von Wildfremden abgeknutscht werde.

Enge Bindung zu den Fans

Ich bin auf meinem Strandspaziergang inzwischen am Mannschaftshotel der Iren angekommen. Aus einem der Fenster hängt ein großes Fan-Banner. Einer der Spieler muss es aufgehängt haben. Mich würde es nicht wundern, wenn Stürmerstar Robbie Keane oder Torwart Shay Given gestern Abend auf dem Marktplatz mitgestrippt hätten. Die Bindung zu den Fans ist enger als bei anderen Mannschaften. Nach jedem Training stellen sich die Spieler bereitwillig für Fotos, Autogramme und Smalltalk zur Verfügung. Zum Vergleich: Deutsche Fans werden schon 50 Meter vor dem Trainingsplatz der Löw-Truppe von der Polizei zurückgewiesen.

EM-Reporter Peter Wozny (Foto: Wozny/DW)
Auf Stimmenfang in Danzig: EM-Reporter Peter WoznyBild: privat

Auf dem Rückweg komme ich wieder am Fancamp der Iren vorbei. Die Fans sind aufgewacht, die ersten Bierflaschen kreisen. Vier Iren in Badehose kommen vom Strand. Sie waren tatsächlich in der Ostsee schwimmen – bei 12 Grad Wassertemperatur. Diese Jungs kann wirklich gar nichts schocken. "Traps Army" scheint bereit für die nächste Schlacht.