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Tradition und Forschung

Oliver Samson30. Juli 2002

Der nahende Baubeginn des Berliner Holocaust-Denkmals lenkt den Blick auf die Vernichtung des Judentums in Europa. Die Erinnerung an die jüdische Vergangenheit halten Forscher des Leipziger Simon-Dubnow-Instituts wach.

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Das Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte in LeipzigBild: presse

Einzigartig ist das Institut vornehmlich wegen seines spezifischen Verständnisses jüdischer Geschichte. So beschäftigen sich zwar auch das Potsdamer Moses-Mendelson-Zentrum und das Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt am Main mit jüdischer Geschichte. Im Gegensatz zu diesen arbeiten die Leipziger Forscher aber nicht nur über das deutsche Judentum und den Holocaust, sondern wenden ihre Interessenschwerpunkte nach Osteuropa. "Das ist nicht nur eine geographische Ausweitung", wie Dr. Nicolas Berg erklärt. Die weitgehend zerstörten jüdischen Lebenswelten sollen als wesentlicher Bestandteil des von Minderheiten und verschiedenen Nationalitäten geprägten Mittel- und Osteuropas rekonstruiert werden, die transnationale jüdische Geschichte als Schlüssel zum Verständnis übergreifender kultureller, wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge dienen. Ein Ansatz, der weltweite Anerkennung findet. Die Leipziger Wissenschaftler sind auf Fachkonferenzen gern gesehene Gäste – wenn sie diese nicht gleich selbst ausrichten.

Internationaler Austausch als integraler Bestandteil

Dr. Berg ist einer von inzwischen acht fest angestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern, die unter der Leitung des deutsch-israelischen Historikers Dan Diner forschen und lehren. "Klein kann man das Dubnow-Insitut wirklich nicht mehr nennen", unterstreicht der 35-jährige Historiker. Dazu kommen Honorarkräfte, Doktoranden und Gastwissenschaftler aus Polen, Russland, Israel und der USA. Der enge Austausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen im Ausland wurde von Beginn an als integraler Bestandteil der Forschungstätigkeit verstanden.

Jüdische Tradition Leipzigs

Gegründet wurde das Dubnow-Institut 1995 auf einstimmigen Beschluss des sächsischen Landtages. Formal wurde es an die Universität Leipzig angegliedert. Die Wahl des Standortes fiel nicht zufällig auf Leipzig, war doch die alte Messe- und Universitätsstadt seit dem ausgehenden Mittelalter wie kein zweiter in Deutschland ein Ort der Begegnung mit osteuropäischen Juden.

Jüdische Kaufleute spielten traditionell eine bedeutende Rolle im Ost-West-Handel, als dessen Drehscheibe sich die Leipziger Messe im 16. Jahrhundert etablieren konnte. 1933 hatte Leipzig eine der größten jüdische Gemeinden Deutschlands. Langsam beginnt die jüdische Tradition wieder zu leben: Die vor wenigen Jahren wenige Dutzend Köpfe zählende jüdische Gemeinde ist inzwischen wieder auf etwa 800 Mitglieder angewachsen, meist durch Zuzug aus Osteuropa.

"Intellektuelle Urbanität"

Neben Forschungsprojekten, der Einladung von Gastwissenschaftlern, Lehrveranstaltungen an der Uni Leipzig und der Betreuung von Doktoranden stehen kleinere Ausstellungen, die Herausgabe einer eigenen Schriftenreihe sowie die Veranstaltung internationaler Konferenzen und Kolloquien auf der Agenda des Instituts. Einmal pro Jahr veranstaltet das Dubnow-Institut eine öffentliche Vorlesung im festlichen Rahmen, die inzwischen einen festen Platz in der akademischen Landschafts Sachsens hat. Hierzu werden jeweils herausragende Wissenschaftlerpersönlichkeiten eingeladen. Zuletzt war mit Shmuel N. Eisenstadt einer der weltweit renommiertesten Soziologen zu Gast, in diesem Jahr wird es der Historiker Walter Laqueur sein. Nicht gänzlich unbescheiden sieht man im Dubnow-Institut darin einen "Beitrag zur intellektuellen Urbanität Leipzigs". Und damit dürfte man auch richtig liegen.