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Tradition der Unterdrückung

13. Juli 2009

Mit einem großem Aufgebot bewaffneter Sonderpolizei bringt Peking die angespannte Lage in Xinjiang wieder unter Kontrolle. Dabei sorgen gerade die Sicherheitskräfte schon lange für tiefes Misstrauen in der Unruheprovinz.

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Massives chinesisches Sicherheitsaufgebot in UrumqiBild: AP

Anders als in Tibet wurde in Xinjiang bereits 1954 ein eigenes Aufbaukorps ins Leben gerufen. Damals sollten 100.000 Mann - fast ausschliesslich Han-Chinesen - die Grenzen der Provinz sichern. Während des Kalten Krieges und der Entfremdung der sozialistischen Brüder China und Sowjetunion wurde diese Truppe immer stärker. Und jede Verletzung der 1.200 Kilometer langen Grenzen zu den zentralasiatischen Sowjet-Republiken wurde mit einer flächendeckenden Verfolgung geahndet.

China Uiguren Ausschreitungen Dienstag 7.7.09
Gegen die chinesische Übermacht haben die Uiguren keine ChanceBild: AP

Der Blutzoll stieg von Jahr zu Jahr, bis 1962 über 67.000 Angehörige der nationalen Minderheiten, vor allem der Uiguren, in einer Nacht- und Nebelaktion die Grenzen nach Kasachstan und Kirgistan überschritten und zum „Feind“ überliefen. Darunter der stellvertretende Garnisonskommandant des chinesischen Autonomen Gebietes Xinjiang. Heute räumen Chinas Geopolitiker ein, dass diese „Abtrünnigen“ unter massivem Druck die Flucht ergriffen hätten und den harten Kern der so genannten „Ostturkestan-Bewegung“ bildeten.

Pekings Politik änderte sich aber auch nach diesem Schock nicht. Im Gegenteil: Das Aufbaukorps wurde jetzt erst recht zu einer paramilitärischen Garnisonseinheit aufgewertet und beauftragt, mit 75 „bewaffneten Farmen“ die gesamte Grenze zu den Nachbarregionen „abzusichern“. Dafür erhielt die Einheit neben der Standardausrüstung für die Infanterie auch Flak-Geschütze und leichte Artillerie. Innerhalb der Provinz fanden bis in die Kulturrevolution (1966 bis 1976) hinein immer wieder Razzien gegen „vertrauensunwürdige Elemente“ statt. Opfer dieser Verfolgungen waren meist Uiguren.

Das Aufbaukorps in Xinjiang ist heute nach chinesischen Angaben etwa eine halbe Million Mann stark. Zählt man die Familienangehörigen dazu, macht die paramilitärische Verwaltungseinheit schon 2,5 Millionen Menschen aus - mehr als 85 Prozent von ihnen sind Han-Chinesen. Die Einheit besteht aus 14 Divisionen, einer für jedes der 14 Teilgebiete oder "Oasen" des Uigurischen Autonomen Gebietes von Xinjiang. Von Anfang an verfolgte das Aufbaukorps nicht nur militärische Aufgaben - es bestellt zum Beispiel auch 50 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Ackerfläche der Provinz. Die Folge: Für die einheimischen Uiguren bleibt immer weniger Ackerfläche übrig. Soziologische Untersuchungen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Farmbetreiber des Aufbaukorps die Uiguren nicht einmal als Bauern anheuern wollen. Sie geben die Jobs lieber ihren bäuerlichen Verwandten aus anderen chinesischen Provinzen.

Bildreihe DPA China Xinjiang Flash Format
Fruchtbares Ackerland und reiche Bodenschätze machen die Provinz so wertvollBild: picture alliance / Photoshot
Neue Proteste im Nordwesten Chinas
Militärgewalt kann die Wut der Uiguren nur unterdrückenBild: dpa

Experten befürchten, dass die jüngsten ethnischen Spannungen dazu führen könnten, die Aufgaben der paramilitärischen Einheit in Xinjiang noch weiter auszubauen. Damit würde der soziale Unfrieden in der Unruheprovinz weiter verschärft: Denn das Aufbaukorps war schon immer eher Teil des Problems und nicht eine mögliche Lösung in Xinjiang.