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Toys 'R' Us bald ohne Toys?

Michael Knigge16. August 2004

Der Wettbewerb im internationalen Einzelhandel wird immer härter. Die Discounter dringen zunehmend in neue Sparten vor und lehren selbst Branchen-Giganten das Fürchten. Aktuelles Beispiel: Toys 'R' Us.

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Soll ausgegliedert werden: die Baby-Sparte des US-KonzernsBild: AP

Die weltgrößte Spielzeughandelskette hat ein großes Problem. Das Problem von Toys 'R' Us heißt Wal-Mart und ist in Zahlen bezifferbar. Noch vor zehn Jahren war der im US-Bundesstaat New Jersey ansässige Einzelhändler auf seinem Heimatmarkt die klare Nummer Eins. Heute liegt der Spielzeug-Händler laut Marktforschern nur noch auf Platz drei, verdrängt von den großen Discountern Wal-Mart und Target. Während Wal-Mart vor zehn Jahren noch über einen US-Marktanteil von rund 20 Prozent verfügte, sind es heute noch rund 17 Prozent. Wal-Mart und Target, die beide erst im vergangenen Jahrzehnt in den Spielzeugmarkt eingestiegen sind, liegen inzwischen mit rund 20 beziehungsweise 18 Prozent vor dem früheren Branchenprimus.

Aggressiv am Markt

"Eine derart dramatische Verschiebung der Marktanteile in nur zehn Jahren ist absolut ungewöhnlich", bewertet Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe die Branchenrotation. Ungewöhnlich ist ebenfalls, dass gerade Toys 'R' Us durch den Angriff der Discounter in die Enge getrieben wird. Schließlich hatte der Konzern selbst in der Vergangenheit durch eine aggressive Preispolitik, offensives Marketing und ein großes Sortiment zahlreiche kleinere Spielzeughändler - nicht nur in den USA - zur Aufgabe gezwungen.

Hauptquartier der Lebensmittelkette Wal-Mart in Bentonville, Arkansas,
Mischte die Spielzeug-Branche auf: Wal-MartBild: AP

Wie schwer angeschlagen Toys 'R' Us durch den Markteintritt von Wal-Mart und Co. ist, verdeutlicht die jüngste Pressemitteilung des Konzerns. Darin kündigt das Unternehmen unter dem Schlagwort "strategische Überprüfung" die globale Aufteilung in zwei getrennte Gesellschaften an. Das schneller wachsende Geschäft mit Baby-Produkten, Babies 'R' Us, soll möglicherweise an die Börse gebracht werden, während für das klassische Spielzeuggeschäft ein Verkauf erwogen wird. Toys 'R' Us ohne Spielzeug und ohne die Baby-Sparte? Was bleibt dann eigentlich noch von dem Konzern übrig, fragen sich nicht nur Analysten.

"Neue Dimension"

Noch viel spannender ist allerdings die Frage, wie Toys 'R' Us vom Angriff der Discounter auf das Kerngeschäft des Unternehmens überrascht werden konnte. Schließlich sollte die Geschäftsstrategie von Wal-Mart und Co. nach Jahrzehnten stetiger Expansion inzwischen bei allen Einzelhandels-Unternehmen hinlänglich bekannt sein: Die Discounter können durch ihre große Marktmacht und überlegene Logistik unschlagbar günstige Preise anbieten und dadurch Wettbewerber aus dem Markt drängen. Ihre aggressive Preispolitik erlaubt es ihnen, schnell neue Marktsegmente aufzurollen und auch arrivierten Konkurrenten kurzfristig Marktanteile abzunehmen.

"Aber das ist schon eine neue Dimension, dass jetzt selbst ein Branchenriese wie Toys 'R' Us durch die Discounter in die Knie gezwungen wird", sagt Bankhaus-Lampe-Analyst Schlienkamp und ergänzt: "Aber ein Wal-Mart muss mit Spielzeug nicht unbedingt viel Geld verdienen, sondern nutzt es, um Kunden durch attraktive Angebote zum Point of Sale in den Laden zu bekommen. Die Margen erzielen Wal-Mart und andere Discounter dann durch andere Produkte wie Lebensmittel."

Weltweite Gefahr

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Beim Discounter billiger als im Fachgeschäft: SpielzeugBild: dpa zb

Dagegen können spezialisierte Einzelhändler wie Toys 'R' Us Rückgänge aus ihrem Kerngeschäft auf Dauer nicht ausgleichen. Ob und mit welcher Ausrichtung der Konzern in Zukunft bestehen kann, ist unter Experten umstritten. Denn auch der bisherige Hoffnungsträger - Babies 'R' Us - wird bald den Preisdruck der Discounter zu spüren bekommen.

Und nicht nur in den USA könnte der Spielzeug-Händler in die Zange der Preisbrecher geraten, sagt Analyst Schlienkamp: "Das ist kein auf die USA beschränktes Phänomen: Ganz im Gegenteil könnten auch Discounter wie Aldi oder Lidl, die sich bislang hauptsächlich auf Elektronische Geräte und Textil spezialisiert haben, auch in diesen Markt einsteigen."