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Touristen zeigen Russland die kalte Schulter - und umgekehrt

Stephan Hille28. März 2006

Immer weniger ausländische Touristen zieht es nach Russland, obwohl das Land ein reichhaltiges Angebot an Sehenswürdigkeiten und spannenden Reisezielen zu bieten hätte.

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Stephan Hille

Von den beiden kulturellen Zentren Moskau und St. Petersburg über traumhaft schöne Flusskreuzfahrten auf der Wolga oder der klassischen Zugreise durch Sibirien bis nach Wladiwostok. Allein die Kulturgeschichte und die Weite des Landes müssten eigentlich Russland zu einem Magneten für Touristen aus aller Welt machen, zumal das Land boomt und den Kommunismus längst hinter sich gelassen hat. Irrtum. Obwohl es zu Sowjetzeiten viel schwieriger war, zog es damals viel mehr Touristen in den Osten als heute.

Im vergangenen Jahr kamen gerade mal drei Millionen Reisende nach Russland, 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Für so ein riesiges Land mit so vielen Möglichkeiten seien das im internationalen Vergleich lächerlich wenig Touristen, erklärt Sergej Schpilko, Präsident des russischen Tourismusverbandes. Die russische Regierung unterschätzt das wirtschaftliche Potenzial, das die Fremdenverkehrsbranche bietet und schafft zu wenig Anreize, Russland als Reiseziel attraktiver zu machen. Ein deutliches Anzeichen dafür ist, dass es weder in Moskau noch in St. Petersburg überhaupt eine Touristeninformation gibt.

Zu teuer

Der wichtigste Grund für die sinkenden Touristenzahlen sind die stetig steigenden Preise. Eine einwöchige Reise nach Moskau oder St. Petersburg kostet inzwischen im Durchschnitt 1500 Euro. Die Preise für die beiden russischen Metropolen haben sich in den vergangenen Jahren nahezu verdreifacht. Kein Wunder, dass da den europäischen Städtereisenden Prag oder Budapest für ein Drittel der Kosten nicht nur geographisch näher liegen.

Inzwischen kostet eine Hotelübernachtung in der russischen Hauptstadt im Durchschnitt 250 Dollar, wenn man überhaupt ein Zimmer findet. Denn inzwischen hat die Moskauer Stadtregierung die größten Mittelklasse-Hotels geschlossen und abgerissen, um an ihrer Stelle teuere Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels zu bauen. Erst im Januar wurde das legendäre "Rossija" mit 3000 Zimmern, günstigen Preisen und zentraler Lage direkt am Roten Platz geräumt und zum Abbruch freigegeben.

Zu viel Papierkram

Auch der Aufwand und die Preise für ein russisches Visum dürften Touristen abschrecken. Während Russen rund 40 Euro für ein Visum ins europäische Ausland bezahlen müssen, kostet das russische Visum mindestens das Dreifache. Pläne für ein unbürokratisches Drei-Tage-Visum für Städtereisende versandeten. Stattdessen müssen Reisende nach Russland eine Migrationskarte ausfüllen, was nicht weiter schwierig wäre, wenn das Formular nicht ausschließlich auf Russisch verfasst wäre. Entweder aus Idiotie oder aus Arroganz wurde bei den neuen Formularen die englische Erklärung weg gelassen.

Obwohl Russland ein lohnendes Ziel für viele Touristen wäre, scheint es nach wie vor ein Land für Liebhaber zu bleiben. Zwar hatte Präsident Wladimir Putin betont, der Tourismus sei wichtig für die Wirtschaft, doch im Haushalt sind gerade mal knapp drei Millionen Euro vorgesehen für Werbung und Promotion, weniger als ein Zehntel dessen, was sich im Durchschnitt die EU-Länder die Werbung für ihr Land als Reiseziel kosten lassen.

Die Erkenntnis, dass Russland nicht nur reich an Rohstoffen ist, sondern auch über ein großes, aber schlummerndes Potenzial als Reiseland verfügt, muss sich erst noch durchsetzen.