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Tony Martin rast zum WM-Titel

21. September 2011

Er ist am Ziel seiner Träume: Tony Martin hat in Kopenhagen seinen ersten WM-Titel geholt und damit bewiesen, dass er auch mit der Favoritenrolle umgehen kann. Ein zweiter Deutscher fuhr knapp an einer Medaille vorbei.

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Der deutsche Radprofi Tony Martin in Aktion (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Er wollte Gold, nun hat er es: Tony Martin hat seine Favoritenstellung eindrucksvoll untermauert und den WM-Titel im Einzelzeitfahren geholt. Damit verabschiedete sich der 26-Jährige nun endgültig aus der Riege der Talente und zählt zu den ganz großen des Radsports. Martin erteilte der versammelten Weltelite um Titelverteidiger Fabian Cancellara eine Lehrstunde und benötigte für die 46,4 Kilometer lange Strecke quer durch die Kopenhagener Innenstadt 53:43,85 Minuten. Sein Vorsprung auf die Konkurrenz war deutlich: Der zweitplatzierte Bradley Wiggins lag 1:16 zurück und der vierfache Zeitfahrweltmeister Fabian Cancellara aus der Schweiz sogar 1:20 Minuten. Der Sieger von 2008, Bert Grabsch, schrammte mit 1:32 Minuten Rückstand nur knapp an der Bronzemedaille vorbei.

Der deutsche Radprofi Tony Martin in Aktion (Foto: dpa)
Gold und Regenbogentrikot für Tony Martin im EinzelzeitfahrenBild: dapd

"Ich habe in den vergangenen Tagen gefühlt, dass ich gut drauf bin. Für mich ist ein Traum wahr geworden, es ist unglaublich", sagte Martin nach der Zielankunft, der nach Jan Ullrich (1999, 2001) und Bert Grabsch erst der dritte deutsche Zeitfahrweltmeister ist. Nach der Zieldurchfahrt riss der HTC-Profi jubelnd die Arme nach oben und fiel seinem Betreuer Jan Schaffrath entkräftet in die Arme. Sein Erzrivale Fabian Cancellara konnte ihn wie schon bei der Tour de France und der Vuelta nicht gefährden. Martin krönte damit eine starke Saison, in der aber auch klar wurde, dass er sich vorerst auf die Spezialdisziplin Zeitfahren konzentrieren wird. Seine Ambitionen auf vordere Ränge im Gesamtklassement stellte Martin nach seiner enttäuschenden Leistung in den Bergen der Tour de France für die nächsten Jahre zurück.

Keine Chance für Cancellara

Fabian Cancellara auf dem Zeitfahrrad. (Foto: dpa)
Fabian Cancellara fand nicht zu gewohnter StärkeBild: picture alliance / dpa

Das WM-Rennen gegen die Uhr hatte Martin von Beginn an dominiert. Schon bei der ersten Zwischenzeit nach Kilometern führte Martin mit 9,99 Sekunden Vorsprung auf seinen Erzrivalen Fabian Cancellara. Der Schweizer begann wie gewohnt mit hoher Trittfrequenz und einem vergleichsweise kleinen Gang, um sich noch Kräfte für die zweite Hälfte aufzusparen. Doch seine Taktik ging nicht auf: Nach der Hälfte der Distanz lag der Schweizer Zeitfahr-Olympiasieger schon 18,83 Sekunden hinter seinem Konkurrenten aus Deutschland zurück. Und der fuhr wie entfesselt: Schon zum Beginn der ersten Runde überholte er den 1:30 Minuten vor ihm gestarteten Briten David Millar, der am Ende immerhin Siebter wurde. Im zweiten Streckenabschnitt wurde Martins Dominanz noch deutlicher. Für den Bund Deutscher Radfahrer war es nach dem Sieg von Judith Arndt bei den Frauen bereits die zweite Goldmedaille bei dieser Weltmeisterschaft.

Ebenfalls ein starkes Rennen fuhr Bert Grabsch, der zur Halbzeit des Rennens zwischenzeitlich eine neue Bestzeit aufstellte. Doch trotz des riesigen Ganges, den der kraftvolle Zeitfahrspezialist wuchtete, konnte er mit seinem Teamkollegen Tony Martin nicht mithalten. Bei den Deutschen Meisterschaften im Juni in Neuwied hatte er Martin auf einem ähnlich flachen Kurs noch klar geschlagen.

Aus ostdeutscher Talentschmiede

Tony Martin wird auf dem Podium von zwei Hostessen geküsst (Foto: AP)
Siegertyp: Im Zeitfahren dominierte Tony Martin 2011Bild: AP

Martins steile Karriere ist auch ein gutes Zeugnis für die Nachwuchsarbeit im deutschen Radsport. Der gebürtige Cottbusser Tony Martin stammt wie John Degenkolb, Marcel Kittel und Patrick Gretsch aus der Talentschmiede des Thüringer Energieteams. Dort werden seit Jahren Nachwuchsradsportler ausgebildet, die gleichzeitig aber auch eine Ausbildung absolvieren müssen, für den Fall, dass es nichts wird mit einer Karriere wie bei Tony Martin. Der ist übrigens gelernter Polizeimeister und kann sich vorstellen, nach seiner Karriere in diesen Beruf zurückzukehren.

Doch noch hat der frisch gebackene Weltmeister großes Ziele auf dem Rad: Die Olympische Goldmedaille im Einzelzeitfahren im kommenden Sommer in London und natürlich die Rolle als Edelhelfer für seinen Freund André Greipel im WM-Straßenrennen am Sonntag.

Greipel hofft auf Massensprint

Der ist Mitfavorit auf dem flachen Kurs durch Kopenhagen, auch weil er bei seinem ersten Start bei der Tour de France gleich seinen ersten Etappensieg holte. Der Sprinter mit den fast baumstammdicken Oberschenkeln hat viel vor, blieb aber vor dem WM-Rennen wie gewohnt einsilbig. "Ich möchte in guter Form sein und der Kurs kommt mir entgegen. Deswegen versuche ich dort ein gutes Rennen fahren."

André Greipel schlug Mark Cavendish auf der 10. Etappe der Tour de France 2011 im Sprint (Foto: AP)
André Greipel (r.) schlug Rivale Mark Cavendish (l.) auf der 10. Etappe der Tour de FranceBild: dapd

Greipel ist der Kapitän im deutschen Team für's Straßenrennen und wird unterstützt von den aufstrebenden Sprinttalenten John Degenkolb und Marcel Kittel, die beide eine starke Saison fuhren und gleich mehrere Rennen gewannen. Dennoch hat Marcel Kittel kein Problem mit der Helferrolle. "Das ist eine riesengroße Sache für mich, unter den besten deutschen Radfahrern zu sein und dann sein Land zu vertreten. Da nimmt man gerne als junger Fahrer jede Rolle an."

Topfavorit ist Philippe Gilbert

Marcel Kittel jubelt nach seinem Etappen-Sieg bei der Vuelta (Foto: AP)
Marcel Kittel (l.) holte einen Etappensieg bei der VueltaBild: AP

Auch sein Freund John Degenkolb hat Respekt vor dem schweren Weltmeisterschaftsrennen über 266 Kilometer. "Entscheidend ist vor allem die Distanz. Ich bin in diesem Jahr ein Rennen gefahren, das so lang war. Ich glaube, das ist für einen jungen Fahrer sehr viel. Und dann am Ende noch um den Titel mitfahren zu sollen, das ist sehr hoch gegriffen."

Die Erfahrung zeigt: Im Finale sind es meist die Routiniers, die mit viel Ausdauer und Rennhärte, aber auch taktischem Kalkül solch ein WM-Rennen entscheiden. Und da fällt im Vorfeld vor allem ein Name: Philippe Gilbert, der dominierende Klassikerspezialist der Saison. Er wird einen Massensprint verhindern wollen, kommt es doch dazu, hat die deutsche Mannschaft gute Karten.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Wolfgang van Kann