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Tod und Sterben im Internet

Gottfried Bohl15. Mai 2006

In der Gesellschaft wird der Tod und alles, was damit zu tun hat, gern verdrängt. Im Internet ist das ganz anders: Dort gibt es vielschichtige Diskussionen über Sterben, Tod oder Trauer.

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Bild: picture-alliance/ dpa

In Suchmaschinen etwa kommen bei den Begriffen "Tod" und "Sterben" fast so viele Treffer wie beim Suchwort "Liebe". Chatrooms und virtuelle Friedhöfe gibt es. Und so manches Internet-Angebot kann gerade durch die Anonymität Menschen helfen, besser mit dem schwierigen Thema zurechtzukommen. Auf der anderen Seite sehen Experte aber auch mehr als bedenklichen Angebote.

Virtuelle Welt ohne Tabus

Im Internet geht es lebhaft zu beim Thema Tod, beobachtet Reiner Sörries, Theologe, Trauerforscher und Leiter des Kasseler Museums für Sepukralkultur. Vor allem kenne die virtuelle Welt - anders als die reale - kaum noch Tabus: "Da wird über Sterben und Tod gesprochen, als tauschte man Kochrezepte aus. Und man muss auch die Frage stellen, ob der Tod nicht aus seiner Ecke der Verdrängung und Tabuisierung nahtlos ins Unterhaltungsfach gewechselt hat."

Von einem Extrem ins andere sozusagen. Insgesamt aber lobt Sörries die Fülle an Informationen im World Wide Web. Angefangen bei den Jenseitsvorstellungen der Religionen über Hospizarbeit und Sterbehilfe bis hin zu Öffnungszeiten von Friedhöfen und Angeboten von Bestattern. Dazu gehören aber auch billigbestatter.de und ähnliche Schnäppchen-Angebote: Von der Bestattung über den Grabstein bis hin zur Grabbepflanzung lässt sich heute alles übers Internet abwickeln.

Neue Möglichkeiten der Erinnerungskultur

Von da ist es auch nicht mehr weit zum virtuellen Friedhof: "Man kann Bilder einstellen aus seinem Leben, Musikstücke hinterlegen, Videofilme ins Netz stellen. Ich kann aber auch als Besucher dieses Internetfriedhofes Trostzeilen hinterlassen. Ich kann auch virtuell Kerzen anzünden, oder ich kann Blumen ablegen. Also da sind die Möglichkeiten der Erinnerungskultur fast unerschöpflich."

Kritiker warnen, dass die Kommunikation über Internet die direkte zwischenmenschliche Kommunikation immer weiter zurückdränge - nicht nur im Bereich der Trauer. Für sehr viel bedenklicher hält der Wissenschaftler allerdings die wirklichen Schattenseiten des Internet: Etwa Vorhersagen des Todeszeitpunkts, Kontaktangebote zu Verstorbenen und andere unseriöse Seiten aus dem Bereich der Esoterik. Oder so genannte "Selbstmordforen" - und Seiten, die Okkultismus, Satanismus und Gewalt verherrlichen.

Friedhof für gestorbene Webseiten

Doch trotz aller Gefahren: Für den Trauerforscher überwiegen die positiven Aspekte - allen voran die vielen Informationen und der offenere Umgang mit Tod und Sterben, der vielen Menschen helfe. Wobei das Internet auch nur ein Medium ist. Von Menschen gemacht - und nicht selbst aktiv: Und dabei freut sich Sörries ganz besonders, wenn er - gerade beim Thema Tod - auch mal Seiten im Internet findet, die sich selbst nicht allzu ernst nehmen:

"Es gibt einen eigenen Internetfriedhof für gestorbene Webseiten. Da gibt es einen Betreiber, der versucht, all das noch aus dem Netz zu retten, wo es eben keinen Betreiber mehr gibt, sei es dass er verstorben ist, oder insolvent, oder eben einfach keine Lust mehr hat, diese Seiten zu betreiben. Und dieser Internetbetreiber, der sammelt gestorbene Homepages."