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Thorsten Polleit: Für "Wachstum und Beschäftigung sind Mindestlöhne nicht das richtige Instrument"

11. April 2005

Chefvolkswirt von Barclays Capital im Interview von DW-WORLD.DE - Europäischer Gewerkschaftsbund: "Höhe der Mindestlöhne ein sehr wichtiger Faktor"

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Für "Wachstum und Beschäftigung sind Mindestlöhne nicht das richtige Instrument". Das sagte der Chefvolkswirt der britischen Großbank Barclays Capital in Frankfurt am Main, Thorsten Polleit, im Interview von DW-WORLD.DE, dem Internetangebot der Deutschen Welle. Die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland rühre nicht von zu wenig, sondern von zu viel Wettbewerb. "Wir haben in weiten Teilen zu hohe Löhne. Mindestlöhne würden dafür sorgen, dass es insbesondere in den bitter benötigten Niedriglohnbereichen zu keinen zusätzlichen Beschäftigungseffekten kommen würde", so Polleit.


Mindestlöhne seien auch nicht als Mittel im Kampf gegen das so genannte Lohndumping durch Arbeitskräfte aus Osteuropa geeignet. Polleit: "Wir wissen, wenn wir etwa mit Mindestlöhnen oder auch mit Einschränkungen im Dienstleistungsverkehr den Wettbewerb reduzieren, geht das zu Lasten der Verbraucher und derjenigen Anbieter, denen auf diese Weise ein Markteintritt verwehrt wird. Das Marktabschotten würde die wichtigsten Kräfte für Wachstum und Beschäftigung lahm legen." Da das Lohnniveau in Deutschland deutlich über dem in anderen Ländern liege, trage die Einführung eines Mindestlohnes dazu bei, "dass diese Lohndifferenz, dieser Nachteil noch verhärtet würde. Mit Instrumenten aus der sozialistischen Mottenkiste werden wir das Problem des erfolgreichen Wettbewerbs nicht bestehen können", sagte Polleit gegenüber DW-WORLD.DE.


"Die Höhe der Mindestlöhne ist ein sehr wichtiger Faktor", so John Monks, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (Brüssel), in einem weiteren Interview von DW-WORLD.DE. "Wenn man einen Mindeststundenlohn von beispielsweise 15 Euro hätte, dann bestünde sicher eine große Gefahr, dass die Niedriglohn-Jobs sich in andere Länder verlagern", so Monks. In seiner Heimat Großbritannien, wo der Mindestlohn derzeit fünf Pfund – knapp unter acht Euro – betrage, habe man gute Erfahrungen mit der Einführung eines Mindestlohns gemacht. Monks: "Meiner Ansicht nach ist es ein großer Vorteil. Dadurch wurde versucht, sicherzustellen, dass die Arbeitgeber neue Arbeitskräfte wie Migranten nicht ausbeuten." Manche Arbeitgeber behaupteten, "dass es Arbeitsplätze ins Ausland treibt". Statistische Belege besagten allerdings, "dass - wenn man das richtige Niveau für Mindestlöhne findet - es keinen schwerwiegenden Einfluss auf die Arbeitsplätze haben würde“.

11. April 2005
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