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Olaf Thon: "Schweinsteiger ist der weiße Brasilianer"

3. Juli 2010

"Phänomenal": Weltmeister Olaf Thon ist begeistert vom Argentinien-Spiel. Der DW-WM-Experte schwärmt in den höchsten Tönen von der deutschen Elf - und sieht sie schon im Endspiel gegen die Niederlande.

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DW-WM-Experte Olaf Thon (Foto: Thon)
Bild: Olaf Thon

DW-WORLD.DE: Olaf Thon, nach England besiegt Deutschland auch den nächsten großen Gegner mit einem Kantersieg. Wer soll dieses Team eigentlich noch aufhalten?

Die deutsche Nationalelf in Südafrika (Foto: AP)
Dickes Lob für ein junges TeamBild: AP

Olaf Thon: Das ist eine gute Frage. Man muss allerdings sagen, auch in der ganzen Euphorie, die da ist und die auch ausgelebt werden soll, dass England und Argentinien nicht die erwarteten Topfavoriten waren. Da sehe ich im Moment eher Spanien an erster Stelle und an zweiter Stelle die Niederländer. Aber Deutschland hat wirklich phänomenal gespielt, deswegen müssen wir das alle genießen und ich freu mich schon, nicht nur auf das Halbfinale, sondern am besten gleich auf das Finale.

"Jogi Löw hat auf die richtigen Pferde gesetzt"

Dennoch ist Argentinien ja nicht irgendein Gegner. Das Team hat in der Vorrunde hervorragend gespielt. Wie konnte Deutschland trotzdem so dominieren?

Das ist schwer zu erklären. Man muss das einfach an der jungen deutschen Mannschaft festmachen, die so gefestigt ist und jetzt auch langsam an sich glaubt. Sie lässt gar keinen Zweifel aufkommen und hat eine stabile Defensive um Manuel Neuer, der sein Tor gegen Argentinien Gott sei Dank sauber gehalten hat. Egal, ob man Arne Friedrich nimmt oder den Kopf im Mittelfeld, Bastian Schweinsteiger, oder natürlich Miroslav Klose, der jetzt sein 14. Tor gemacht hat und an Pele vorbeigezogen ist - diese fußballgeschichtlichen Dimensionen muss man sich mal vorstellen. Vor der WM war auch ich der Meinung, dass Kevin Kurányi durchaus eine Berechtigung gehabt hätte, aufgrund seiner starken Leistung und der schwachen Leistung von Klose in der Saison. Aber Jogi Löw hat gezeigt, dass er auf die richtigen Pferde setzt, wie Franz Beckenbauer das 1990 auch getan hat.

Was war das für ein Blitzstart durch Thomas Müller in der 3. Minute! Was halten sie von diesem jungen Spieler?

Er hat so eine Unbekümmertheit, grüßt schon mal seine Oma. Gegen Argentinien hat er wieder phänomenal gespielt. Nicht nur, dass er das Kopfballtor zum 1:0 gemacht hat. Er hat auch hervorragend vorgelegt, obwohl er zum Beispiel bei der Chance von Klose zum 2:0 in aussichtsreicher Position war und dann trotzdem mannschaftsdienlich den Ball quer legt. Er hat gar nicht im Hinterkopf, dass er vielleicht der Torjäger des Turniers oder der Matchwinner werden könnte. Er arbeitet für die Mannschaft, und das zeichnet das Team aus. Das war Teamspirit auf allerhöchstem Niveau.

Spielszene aus dem Spiel Argentinien - Deutschland 1987 (Foto: dpa)
1987: Damals verlor die deutsche Elf um Olaf Thon (hinten) gegen Argentinien mit 0:1.Bild: picture alliance/dpa

Viele zogen vor dem Spiel Vergleiche zum großen WM-Finale von 1990, bei dem sie selbst dabei waren. Was war diesmal anders?

Ich glaube, dass Argentinien einfach nicht so stark war und wir dafür umso stärker waren. Diese beiden Komponenten kamen zusammen. Das frühe 1:0 hat Argentinien gelähmt. Auf der anderen Seite unterlief der deutschen Elf dann diese Schwächeperiode zwischen der 30. und der 45. Minute. Nach dem Halbzeitpfiff war Argentinien auch überlegen. Wir haben dann im richtigen Moment das 2:0 gemacht. Die deutsche Mannschaft hat dann nicht mehr so passiv gespielt wie teilweise in der ersten Halbzeit. In der zweiten Halbzeit haben wir unsere Überlegenheit gut ausgespielt. Argentinien ist mit diesem 4:0 gut bedient.

"Schweinsteiger spielt phänomenal"

Das, was man eigentlich von den großen Technikern auf argentinischer Seite erwarten konnte, zeigte dann Schweinsteiger beim 3:0. Ist er der neue deutsche große Regisseur?

Bastian Schweinsteiger (Foto: AP)
"Der weiße Brasilianer": Bastian SchweinsteigerBild: AP

Ja, man kann sagen, er ist es jetzt schon, wo man das Halbfinale erreicht hat. Er ist der weiße Brasilianer. Auf dieser Position im defensiven Mittelfeld, neben Khedira, zieht er die Fäden zieht und ist der Co-Kapitän von Philipp Lahm. Er übernimmt die Verantwortung im Mittelfeld, sowohl in der Defensive gegen Lionel Messi, als auch im Sturm mit den entscheidenden Pässen. Er spielt phänomenal. Ich weiß nicht, ob diese deutsche Mannschaft aufzuhalten ist. Es wäre vielleicht möglich, dass die Spanier es schaffen oder dann im Endspiel die Niederländer, wenn es dazu kommt. Aber das weiß heute keiner. Lasst uns alle freuen, dass Deutschland um Jogi Löw sein Ziel erreicht hat!

Die Fragen stellte Joscha Weber

Redaktion: Arnulf Boettcher