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The American Way of Guggenheim

22. Februar 2002

Dem Vorzeigemuseum der 90er geht es schlecht. Das Guggenheim-Imperium leidet unter einer Post-9/11-Depression - oberflächlich betrachtet.

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Das Guggenheim-Museum in New YorkBild: AP

Selbst die Umkleidekabinen sollen Kunst sein, sie sind aus Glas. Auf Knopfdruck wird es undurchsichtig. Nichts hat Rem
Koolhaas im neuen New Yorker Flaggschiff-Kaufhaus der Modefirma Prada dem Zufall überlassen. Nur dass der wichtigste Partner ausstieg, der den Shopping-Palast am Broadway allein schon mit seinem Namen als Kultur-Tempel ausweisen sollte, konnte auch der holländische Star-Architekt nicht verhindern.

Eigentlich wollte der Kunst-Konzern Guggenheim in dem wie eine große Welle gestalteten Teil des Prada-Hauses in SoHo, Artshows veranstalten. Doch Thomas Krens, der in Fachkreisen ebenso beneidete wie beargwöhnte Chef der Guggenheim-Welt, sagte ab.

In dem 150 Sitzplätze-Theater, das Koolhaas eigens in "The Wave" einrichten ließ, werden nun meist Schuhe gezeigt. Gelegentlich werden sie für Tanzdarbietungen, Vorträge oder Filmvorführungen weggeräumt.

Der Ausstieg aus der Partnerschaft mit dem Luxus-Modeshopping hatte für Krens keine künstlerischen, sondern kaufmännische Gründe.

Der Vorreiter des globalen Bündnisses von Kunst und Kommerz, der mit der Ausstellung von BMW-Motorrädern oder Armani-Kleidern nach Meinung von Kritikern die Grenzen zur Produktwerbung überschritt, hat sich übernommen.

Kunst und Kommerz

Das Guggenheim-Prinzip sei am Ende, sagte jüngst der Chef des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe Peter Weibel. Zu schnell sei der private Museumskonzern in den vergangenen Jahren gewachsen, nun fehle es an Geld.

Thomas Krens
Thomas KrensBild: AP

Erfolgsmanager Krens hatte aus der betulichen Guggenheim-Stiftung einen Welt-Konzern gemacht. Angefangen hatte es mit dem Stammsitz an der Fifth Avenue in New York, einer Filiale in SoHo und die Sammlung Peggy Guggenheim in Venedig.

Es folgte der spektakuläre Museumsbau im spanischen Bilbao, eine Ausstellungshalle in Berlin und zusammen mit der russischen Eremitage das Museum in Las Vegas.

Der Erfolg brachte Neider mit sich. Darf ein Museum ähnlich expandieren wie ein Kaffee- oder Cheeseburger-Filialist?

Die Zeiten haben sich geändert.

Abspecken und Konsolidieren ist angesagt

Sparen müssen derzeit viele New Yorker Museen - aber die Traum-Projekte der Guggenheimer sind weit augenfälliger als andere Vorhaben.

Betroffen sind längst nicht bloß das Prada-Guggenheim-Erlebnis. Die Pläne für ein neues Museum in Rio de Janeiro sind in den untersten Schubladen verschwunden. Dem Online-Vermarktungsprojekt guggenheim.com droht das Aus.

Am New Yorker Stammsitz - nach wie vor symbolisiert durch Frank Lloyd Wrights Rundschalenbau an der Fifth Avenue - soll angeblich ein Viertel der rund 450 Mitarbeiter entlassen werden.

Doch am meisten schmerzt die Guggenheim-Oberen das absehbare Scheitern des weltweit ehrgeizigsten Museums-Projektes, mit dem sich nicht nur Krens ein Denkmal setzen wollte.

Keine Zeit für Träume

Das Vorhaben eines neuen Kunstzentrums in Manhattan, einer monumentalen amerikanischen Variante des erfolgreichen Guggenheim-Museums in der spanischen Provinzhauptstadt Bilbao, liegt auf Eis.

Ebenfalls von Stararchitekt Frank O. Gehry entworfen, sollte der neue Bau nicht weit entfernt von jener Stelle, an der damals noch das World Trade Center stand, wie eine gigantische Titan-Wolke 30 Meter hoch über den East River hinausragen.

"Führende Persönlichkeiten", hatte Rudolph Giuliani gesagt, "haben die Verantwortung, ihre Stadt viel großartiger und schöner zu hinterlassen, als sie sie vorfanden." Das war im November 2000, als der damalige Bürgermeister, Gehry und Krens die Baupläne der privaten Solomon R. Guggenheim-Stiftung bekannt gaben.

Die Finanzierung des auf die Rekordsumme von umgerechnet ein Milliarde Euro veranschlagten Projektes war nie gesichert. Rasch wurde klar, das selbst Krens, der Liebling der Sponsoren, große Schwierigkeiten hatte, genügend solvente Partner zu finden. Gehry, hieß es schon bald, habe wohl das "berühmteste nicht realisierbare Museum der Welt" entworfen.

Dann veränderten die terroristischen Anschläge auf das WTC die Welt, auch die der Mäzene und Sponsoren, und erst recht verschoben sie die Prioritäten in der "Welthauptstadt der Kultur". Im neuen New Yorker Haushalt, den Giulianis Nachfolger Michael Bloomberg jetzt vorlegte, klafft ein Loch von fast fünf Milliarden Dollar.

Von Millionen-Zuschüssen für neue Museumsbauten ist darin keine Rede. Selbst wenn die fließen würden, sehen Experten auf Jahre hinaus keine Chance, in der an Kunstausstellungen keineswegs armen Metropole ein so gewaltiges Museum wie das Guggenheim-Kunstzentrum ohne große Verluste zu betreiben.

Mehr als die Hälfte der geschätzten Besucherzahl von
jährlich mindestens zwei Millionen hätte aus Übersee, also mit dem Flugzeug, anreisen müssen. Doch der Tourismus-Boom in New York war am 11. September beendet. (kas/dpa)