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Terror in Usbekistan

Vladimir Müller31. März 2004

Seit Anfang der Woche erschüttern Selbstmordattentate und Schießereien die zentralasiatische Republik Usbekistan. Wer sind die Hintermänner der Anschläge in Taschkent und Buchara?

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Straßenszene in Taschkent: Den Terror im BlickBild: AP

Nach der verheerenden Anschlagsserie mit 19 Toten in Usbekistan hat die Verfolgung von Terrorverdächtigen am Dienstag (30.3.) weitere 23 Menschen das Leben gekostet. Im Norden der Hauptstadt Taschkent sprengten sich zwei Männer in die Luft, nachdem ihr Auto von der Polizei angehalten worden war. Wie ein Sicherheitsbeamter mitteilte, rissen sie drei Polizisten mit in den Tod, fünf weitere Beamte wurden verletzt. 19 mutmaßliche Terroristen kamen darüber hinaus bei einer Schießerei mit der Polizei ums Leben.

Wer steht hinter dieser Welle der Gewalt? Die russische Tageszeitung "Wremja Nowostej" war sich am Dienstag (30.3.) sicher: Es gebe Verbindungen zwischen den Anschlägen in Usbekistan und dem Terror von Madrid. Nach Spanien sei nun Usbekistan ins Visier der Terroristen geraten. Das Land ist seit dem 11. September 2001 einer der wichtigsten Verbündeten der USA in Zentralasien.

Versuch der Destabilisierung Zentralasiens

Der Politologe am Moskauer Carnegie-Zentrum Aleksej Malaschenko meint jedoch, dass es in der usbekischen Hauptstadt Taschkent - im Gegensatz zu Madrid - nicht zu einem Regierungswechsel kommen wird: Die Macht liege fest in den Händen des autokratischen Präsidenten Islam Karimow, sagte Malaschenko der russischen Zeitung "Nezawisimaja gaseta". Auf jeden Fall hätten aber die Hintermänner dieser Anschläge das Ziel, nicht nur Usbekistan, sondern die ganze Region Zentralasiens zu destabilisieren.

Usbekistan Flagge
Usbekistan Flagge

Kurz nach den ersten Anschlägen am Montag in Taschkent und Buchara gab es noch andere Theorien: Die Selbstmord-Attentate und Schießereien könnten eine Provokation des Präsidenten oder aber seines Geheimdienstes gewesen sein. Im Herbst finden in Usbekistan Wahlen statt. Doch selbst die schärfsten Kritiker des Regimes von Karimow glauben nicht, dass der Präsident, der auch unter dem Druck des Westens steht, zu einer solchen Tat fähig wäre.

Schwach getarnte Diktatur

Usbekistan wurde beim Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig und ist mit 25 Millionen vorwiegend muslimischen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der zentralasiatischen GUS-Republiken. Seit der Unabhängigkeit steht Usbekistan unter der autoritären Herrschaft von Präsident Islam Karimow, der einen schrittweisen, staatlich kontrollierten Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft propagiert. In Wirklichkeit ist Karimows Reich eine schwach getarnte Diktatur. Dabei geht Karimow mit besonderer Härte gegen islamische Fundamentalisten vor.

Usbekistan Anschlag Taschkent Präsident Islam Karimow Porträtfoto
Präsident Islam KarimowBild: AP

Diese streben die Errichtung eines islamischen Emirats im Fergana-Tal an, das hauptsächlich usbekisches, aber auch tadschikisches und kirgisisches Staatsgebiet umfasst. Hier, im historischen Zentrum Zentralasiens, hat sich Anfang der 1990-er Jahre eine der gefährlichsten fundamentalistisch-islamischen Terror-Organisationen gebildet: die Islamische Bewegung Usbekistans.

"Heiliger Krieg" gegen Usbekistan

Die fundamentalistischen Usbeken kämpften von 1992 bis 1997 an Seite oppositioneller islamischer Gruppen im Bürgerkrieg in Tadschikistan - einige von ihnen waren auch gegen die russische Armee in Tschetschenien im Einsatz. Zwei Jahre später erklärten sie Usbekistan den "Heiligen Krieg". Erklärtes Ziel der Gruppe: der Sturz von Präsident Karimow, die Kontrolle über das Fergana-Tal und die Schaffung eines Kalifats, eines islamisch-fundamentalistischen Staates.

Im Frühsommer 1999 drangen die Kämpfer der Islamischen Bewegung Usbekistan erstmals in das Land ein, besetzten Teile des Fergana-Tals und Gebiete im angrenzenden Kirgistan. Hochmotiviert, mit einer guten Ausrüstung und reichlich Geld aus dem Heroin-Handel aus Afghanistan ausgestattet, konnten die islamischen Kämpfer ihre Positionen ausbauen. Eine Serie von Anschlägen, bei dem 20 Menschen ums Leben kamen und 100 verletzt wurden, erschütterte das Land. Ein Höhepunkt islamistischen Terrors war damals der missglückte Anschlag auf Präsident Karimow.

Neue Qualität des Terrors

Bei den neuesten Anschlägen fällt auf, dass sie an stark frequentierten Plätzen verübt wurden und offensichtlich Unschuldige treffen sollten: auf einem Markt, vor einem Geschäft und an Haltestellen. Neu in Usbekistan ist auch die Form des Selbstmord-Attentats, die bisher vor allem in Nahost und in letzter Zeit auch in Russland verbreitet war.

Obwohl Usbekistans Präsident Karimow am Montag (29.3.) in einer Fernsehansprache erklärte, es gebe Hinweise darauf, dass die Terrorakte bereits seit etwa sechs Monaten vorbereitet worden seien, wartete am Dienstag (30.3.) eine russische Zeitung mit einer anderen Theorie auf: Erst vor einigen Tagen wurde gemeldet, der einstige Taliban-Chef Mullah Omar sei bei einem Angriff der US-Armee in Afghanistan schwer verletzt worden. Da viele Kämpfer der usbekischen Extremisten aus Afghanistan heraus agierten, seien die Anschläge in Taschkent und Buchara die Rache für den Glaubensbruder gewesen.