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Teilsieg für die Tuareg

Katrin Gänsler2. April 2012

Im Norden von Mali hat die Tuareg-Armee alle wichtigen Städte eingenommen. Ob sich die Lebensbedingungen des Nomaden-Volkes mit diesem Teilsieg verbessern, muss sich zeigen.

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Bild: picture-alliance/dpa

Issa Dicko kommt ins Schwärmen, wenn er über seine Heimat spricht. Der große Mann, der in Malis Hauptstadt Bamako gerade eine Schreibwerkstatt für junge Autoren organisiert, stammt aus Timbuktu, jener sagenumwobenen Stadt im Norden, die reich an Tradition und Geschichten ist. Seit dem Wochenende gilt Timbuktu aber auch als die letzte große Stadt, die die Regierungstruppen im Kampf gegen die Tuareg-Rebellion verloren haben. Zuvor waren bereits Kidal und Gao gefallen.

Issa Dicko ist über diese Nachrichten entsetzt. Trotzdem weiß er: Er wird nun mehr denn je gebraucht. Dicko ist Kulturvermittler und wirbt um Verständnis für sein Volk. Denn viele Menschen würden die Rebellion erst einmal gar nicht begreifen. "Dabei haben die Tuareg früher einmal die ganze Sahara kontrolliert", sagt Dicko. Viel wichtiger als die bloße Kontrolle sei aber die innere Organisation. "Die Tuareg haben sich in Sippen organisiert. Jede war politisch und sozial autonom."

Issa Dicko ist Tuareg und Kulturvermittler in Mali (Bild: Katrin Gänsler)
Issa Dicko ist Tuareg und Kulturvermittler in MaliBild: Katrin Gänsler

"Der moderne Staat ist ein Widerspruch"

Das passt freilich nicht in das Bild eines modernen Staates, in dem es eine zentrale Regierung mit unzähligen Institutionen gibt und in dem jeder Einwohner einen festen Wohnsitz haben soll. Es ist ein Widerspruch, unter dem das Nomadenvolk schon seit Jahrzehnten leidet. Als besonders schlimm galten die Zwangsansiedelungen kurz nach der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Doch auch später haben sich die Tuareg vom Staat marginalisiert gefühlt. Ohnehin sind die Tuareg in Mali nur eine kleine Gruppe: Nur jeder Zehnte der rund 14 Millionen Einwohner bezeichnet sich als Tuareg. Eine Lobby haben sie nicht.

Vielleicht gerade deshalb haben sie 1990 zum ersten Mal gegen den Staat rebelliert. Doch damals kämpfte die MNLA, die Nationale Befreiungsbewegung von Azawad, auf verlorenem Posten gegen die übermächtige Armee. Yehia Ag Mohamed Ali kann sich gut daran erinnern. Er ist nationaler Koordinator des Programms Mali-Nord, das 1994 gegründet wurde. "Damals hat man ein Friedensabkommen mit dem Militär geschlossen, aber keine Konditionen für einen sozialen Frieden geschaffen. Im Jahr 2006 ist es dann zu einer zweiten Revolte gekommen."

"Zum ersten Mal ist die MNLA übermächtig"

Das Dogon-Land in Mali (Bild: Katrin Gänsler)
Vor Reisen ins Dogon-Land wird mittlerweile gewarnt. Entführungen werden nicht mehr ausgeschlossenBild: Katrin Gänsler

Doch nun ist alles anders: Die Tuareg-Armee ist nicht mehr der kleine Zwerg, der auf verlorenem Posten gegen die Regierungstruppen kämpft. Zum ersten Mal ist sie übermächtig und zeigt den Soldaten schon seit vielen Wochen, dass sie keine Chance haben. Das war am 21. März 2012 wohl auch der Auslöser des Militärputsches. Die Soldaten waren es schlichtweg Leid, noch länger als Kanonenfutter in den Norden geschickt zu werden. Die Regierungstruppen gelten als schlecht ausgebildet und vor allem als schlecht ausgerüstet. Mit einer besseren Ausrüstung und Finanzierung könnte die MNLA jetzt punkten. "Die ganze Logistik ist ja mit viel Geld verbunden. Nur so lässt sich der Krieg überhaupt führen", sagt der Koordinator des Mali-Nord-Programms, Yehia Ag Mohamed Ali.

Genau das sorgt für einige Spekulationen. Woher stammt das Geld? "Vielleicht aus dem Handel mit Drogen, vielleicht auch aus der libyschen Staatskasse. Möglich wäre beides", sagt Yehia Ag Mohamed Ali. Außerdem wird gerne eine Verbindung zur Terrororganisation Al-Kaida hergestellt. Mittlerweile ist unumstritten, dass sich ihr afrikanischer Zweig AQMI - Al-Kaida im Islamischen Maghreb - in der Sahara ausbreitet und dort zu einem Sicherheitsrisiko geworden ist. So soll die Gruppe im November vergangenen Jahres beispielsweise mehrere Europäer entführt haben.

"Kämpfen Al-Kaida und die Tuareg gemeinsam?"

In Bamako unterstützen viele Demonstranten den Putsch der Armee (Bild: Katrin Gänsler)
In Bamako unterstützen viele Demonstranten den Putsch der ArmeeBild: Katrin Gänsler

Internationale Organisationen sind deshalb in Alarmbereitschaft, denn die Sahara gilt als strategisch wichtige Region. Kulturvermittler Issa Dicko schüttelt jedoch mit dem Kopf: "Al-Kaida profitiert nicht von den Tuareg", sagt er. Denn Al-Kaida und die Tuareg hätten unterschiedliche Ziele. "Die Tuareg wollten niemals einen islamischen Staat gründen und haben auch nicht für den Islam Krieg geführt."

Stattdessen forderten sie vor allem wesentlich mehr Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Bamako. Vielleicht ist die MNLA diesem Ziel durch den Militärputsch jetzt sogar einen Schritt näher gekommen. Denn der gestürzte Präsident Amadou Toumani Touré, der gerne nur ATT genannt wird, soll sich in der Vergangenheit herzlich wenig für die Lage im Norden interessiert haben. Mit den Putschisten als Verhandlungspartner könnte nun Bewegung in den Konflikt kommen. Schließlich wissen sie genau, dass die Kämpfe so schnell wie möglich ein Ende haben müssen.