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Ärzte-Verschwörung?

5. Juni 2009

Nur wenige Stunden vor einer Sitzung des Weltsicherheitsrats hat die Sri Lankische Regierung eine Gruppe Ärzte verhaften lassen. Der Vorwurf: Kollaboration mit dem Feind.

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Flüchtlingscamp Sri Lanka Foto: AP)
Gemeinsam mit den Flüchtlingen waren die Ärzte in der Kampfzone eingeschlossenBild: AP

Die verhafteten Ärzte waren bis zum Schluss mit rund 200.000 Zivilisten in der abgeschotteten Kampfzone im Nordosten der Insel eingeschlossen. Die Mediziner hatten Kontakt zu Journalisten, denen es selbst verboten war, aus dem Kriegsgebiet zu berichten. Sie schilderten per Telefon die verzweifelte Lage der Menschen, die auf einem immer schmaler werdenden Küstenstreifen dem Kreuzfeuer der Kriegsparteien ausgesetzt waren. Ihr Kontakt zur Außenwelt wird den Ärzten jetzt zum Verhängnis. "Vielleicht kommt am Ende sogar bei der Untersuchung heraus, dass sie Teil der Verschwörung waren." Sie hätten möglicherweise das Ziel gehabt, die Regierungstruppen für den rücksichtslosen Beschuss von Krankenhäusern und Zivilisten verantwortlich zu machen, spekuliert Sri Lankas Menschenrechtsminister Mahinda Samarasinghe.

Srilankische Armee vor Panzer (Foto: AP)
Die Armee soll auch auf Orte geschossen haben, an denen sich Zivilisten aufhieltenBild: AP

"Kollaboration mit dem Feind"

Die Ärzte befänden sich in der Obhut der Kriminalpolizei, erklärt er. Sie seien unter den geltenden Notstandsgesetzen verhaftet worden. Die laufenden Untersuchungen könnten ein Jahr oder auch länger dauern. Der Menschenrechtsminister lässt keinen Zweifel daran, warum die Ärzte auf unbestimmte Zeit unter Arrest stehen: Es gebe "ausreichende Anhaltspunkte für eine Kollaboration mit dem Feind".

Tatsächlich haben die Mediziner in ihren letzten Telefoninterviews aus der Kampfzone die Regierungstruppen beschuldigt, die Kampfzone auch noch beschossen zu haben, als die tamilischen Rebellen der LTTE dort viele tausend Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchten. Das allerdings hat die Regierung mehrmals vehement bestritten. Sie habe, so empört sich Samarasinghe, schließlich "von allerhöchster Stelle aus öffentlich zu Protokoll gegeben", nicht auf Orte zu schießen, wo sich Zivilisten aufhalten. "Wir hatten die Koordinaten der Hospitäler, und wir würden niemals auf Krankenhäuser schießen", beteuert er.

Kaum Zugang zu Flüchtlingen

Rennendes Kind in FlüchtlingslagerFoto: AP)
Flüchtlingsjunge in CampBild: AP

Den Ärzten stehe es nun frei, sich mit einer Klage an den Obersten Gerichtshof zu wenden. Samarasinghe betont die Unabhängigkeit der Justiz, die sich nachweislich schon in mehreren Fällen auf die Seite der Angeklagten gestellt habe. Eine unabhängige Untersuchung des Krieges lehnt die Regierung weiterhin ab - mit dem gleichen Hinweis auf eine freie und faire Rechtsprechung. Hilfsorganisationen, die der Vereinten Nationen eingeschlossen, haben weiterhin keinen uneingeschränkten Zugang zu den rund 300.000 tamilischen Inlandsflüchtlingen, die in staatlich kontrollierten Massenlagern festgehalten werden. Die Regierung behält sich das Recht vor, die Flüchtlinge zu verhören und zu durchleuchten, um abgetauchte Rebellen der LTTE und deren Sympathisanten aufzuspüren. Unbeantwortet bleibt weiter die Frage, wie sich die tamilische Minderheit unter diesen Umständen im singhalesisch dominierten Sri Lanka zu Hause fühlen soll – auch wenn der Bürgerkrieg nach 26 Jahren vorerst vorbei ist.

Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Mathias Bölinger