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Gratulation wider Willen

28. Februar 2012

Der Oscar für den iranischen Film "Nader und Simin - Eine Trennung" zwang auch die Führung in Teheran zum Gratulieren. Regisseur Farhadi widmete den Preis seinem Volk "in Zeiten der Feindseligkeit zwischen Politikern".

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Regisseur Asghar Farhadi hält den Oscar in den Händen (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die Begeisterung über den Oscar für den iranischen Film "Nader und Simin - Eine Trennung" scheint die iranische Gesellschaft mit ihrer Regierung zu vereinen, wenn auch nicht unbedingt aus den gleichen Gründen. In der iranischen Blogosphäre fand die Ehrung im fernen Hollywood ein begeistertes Echo. Die Bilder der Oscar-Verleihung verbreiteten sich in Windeseile auf den Facebook-Seiten der Iraner. Sie gratulierten dem Regisseur und fordern die anderen Nutzer auf, die Bilder zu verbreiten, um ihn zu unterstützen.

Ashkan schreibt im seinem Blog: "Dieser Oscar war nicht nur für den Film 'Eine Trennung', sondern für eine ganze Nation, die sich jeden Tag mit einem Haufen von Problemen auseinandersetzen muss." Mahrokh schreibt auf ihrer Facebook-Seite: "Nun fängt die Unsicherheit im Kulturministerium an. Wie wollt ihr euch nun verhalten?" Und Maryam kommentiert: "Gott sei Dank! Keine Frau hat Asghar angefasst und niemand hat ihn geküsst! Sonst hätten wir wieder ein Riesentheater in den staatlichen Medien."

"Ehrung für Volk und Kultur Irans"

Viele Iraner sind froh, dass ihr Land international einmal anders als eine atomare Bedrohung wahrgenommen wurde. Auch der Regisseur Asghar Farhadi betonte diesen Aspekt indirekt in seiner Dankesrede. Er glaube, dass seine Landsleute glücklich darüber seien, dass in einer Zeit, in der "Kriegsdrohungen und Aggressionen zwischen Politikern" ausgetauscht würden, der Name ihres Landes im Zusammenhang mit seiner reichen und alten Kultur ausgesprochen werde. Er widme seinen Preis seinem Volk, das "alle Kulturen und Zivilisationen achte, trotz Feindseligkeit und Ablehnung."

Der preisgekrönte Regisseur und seine Darsteller (Foto: dapd)
Der preisgekrönte Regisseur und seine DarstellerBild: dapd

Die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Rede Farhadis propagandistisch anzureichern. Bei Fars hieß es, dass das iranische Volk alle Kulturen und Zivilisationen achte, "trotz aller Spannungen und Aggressionen zwischen dem Iran und dem Westen wegen des iranischen Atomprogramms."

Diese Fälschung fand umgehend ein lebhaftes Echo im Internet. Netz-Aktivisten verbreiteten einen Screenshot von der Seite und machten sich über die Manipulation lustig. Fars News löschte dann ein paar Stunden später die "Ergänzung" zu der Rede von Farhadi wieder von seiner Seite.

Nationalistische Töne

Angesichts des alles überstrahlenden Medien-Ereignisses der Oskar-Verleihung sah sich Teheran gezwungen, den Erfolg des unbequemen Regisseurs auf seine Art mitzufeiern. Die Staatsmedien stellten den Sieg über den israelischen Konkurrenzfilm "Footnote" heraus, und schlugen nationalistische Töne an, man sah sogar "die iranische Flagge über den USA wehen."

Zuvor hatten die iranischen Film-Behörden den Filmemacher, der bereits 2009 auf der Berlinale den Silbernen Bären für die beste Regie erhalten hatte, nicht unterstützt. Die Drehgenehmigung für "Eine Trennung“ war sogar während der Dreharbeiten aufgehoben worden.

Der Grund war, dass Farhadi sich 2010 auf einem Filmfestival in Teheran kritisch geäußert und Solidarität mit seinem verurteilten Kollegen Jafar Panahi und mit Filmemachern im Exil bekundet haben soll. Panahi war wegen seines kritischen Films über die Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im 2009 zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden und steht unter Hausarrest. Farhadi musste sich öffentlich für seine Äußerung entschuldigen, um die Drehgenehmigung für seinen Film im September 2010 zurückzubekommen.

Jafar Panahi (Foto: dpa)
Fahadis Kollege Jafar Panahi darf derzeit keine Filme drehenBild: picture-alliance/dpa

Oscar als Impuls

Javad Shamaqdari, Leiter der staatlichen Film-Organisation, der Farhadi eine Woche Zeit gegeben hatte, sich zu entschuldigen oder die Drehgenehmigung zu vergessen, gratuliert nun zu seinem internationalen Erfolg. Amerika sei vor der iranischen Kultur auf die Knie gegangen, meinte Shamaqdari in seinem Glückwunschschreiben an Farhadi. Sein Erfolg sei ein Zeichen für den "Zusammenbruch der israelischen Lobby" in Amerika, so Shamaqdari weiter.

Während manche iranischen Intellektuelle und Filmemacher sich einen Impuls der Öffnung und Freiheit durch den ersten Oscar für einen iranischen Film erhoffen, bleibt Regisseur Farhadi skeptisch. Bei der Nominierung seines Films habe es zufriedene, schweigende und auch sehr unzufriedene Reaktionen in der iranischen Führung gegeben. "Ich habe keine Ahnung, was passieren wird. Ich warte die Antwort ab", sagte er nach der Preisverleihung in Hollywood.

Autorin: Shabnam Nouriam
Redaktion: Hans Spross /tko