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Tausende Flüchtlinge Richtung Westen unterwegs

10. September 2015

Tausende Flüchtlinge sind von Ungarn aus weiter Richtung Westeuropa unterwegs. Budapest erwägt, den nationalen Krisenfall auszurufen. Dänemark hat seine Grenze zu Deutschland inzwischen wieder geöffnet.

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Ungarn: Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/R. Zak

Nach einer kurzen Verschnaufpause kommen aus Ungarn wieder vermehrt Flüchtlinge nach Deutschland. Die Regierung von Oberbayern rechnete für Donnerstag mit 6000 Neuankömmlingen, die über Österreich eintreffen sollten. Die Bahngesellschaft der Alpenrepublik stellte wegen der Überlastung von Zügen aus Ungarn den Verkehr ein. Betroffen sind Verbindungen zwischen Wien und Budapest sowie grenzüberschreitende Regionalzüge. Ohne die Kappung der Bahnverbindungen zu Ungarn könne eine geordnete Abwicklung nicht mehr gewährleistet werden, erklärten die Österreichischen Bundesbahnen. Ob der Verkehr am Freitag anlaufen könne, sei nicht absehbar.

Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand sagte, die Auswirkungen auf Bayern ließen sich noch nicht abschätzen. Er warnte zugleich, wenn keine Sonderzüge mehr führen und Flüchtlinge verstärkt über Busse, zu Fuß oder per Anhalter kämen, werde die Situation "unkalkulierbar". In Österreich trafen am Grenzübergang Nickelsdorf und an den Wiener Bahnhöfen bis zum Mittag rund 6000 Flüchtlinge aus Ungarn ein.

Karte Flüchtlingsstrom durch Europa
Bild: DW

Ungarn erwägt Ausrufung des nationalen Krisenfalls

Am Mittwoch waren in Ungarn 3321 Migranten erfasst worden, so viele wie noch nie an einem einzigen Tag seit Jahresbeginn. Allein in diesem Monat sind nach Polizeiangaben bislang 22.000 Flüchtlinge über die serbische Grenze ins Land gekommen. In Budapest warten weiter Hunderte auf eine Weiterreise nach Westen. Aus einem Lager bei Röszke nahe der serbischen Grenze wandern seit Tagen Menschen entlang der Autobahn Richtung Hauptstadt. Ungarn will Flüchtlinge künftig in einer Transitzone an der Grenze festhalten. Zudem wird der Einsatz der Armee bei Grenzkontrollen erwogen. Wegen des Andrangs erwägt die Regierung, einen nationalen Krisenfall auszurufen. Über diese Frage solle bei der Kabinettssitzung am 15. September diskutiert werden.

Zudem soll ein 175 Kilometer langer Zaun an der serbischen Grenze bereits Anfang Oktober und damit früher als geplant fertiggestellt werden. Auch Mazedonien erwägt inzwischen den Bau eines solchen Zaunes. Sein Land denke über "eine Art physische Verteidigung" nach, sagt Außenminister Nikola Poposki. "Entweder Soldaten oder ein Zaun oder eine Kombination aus beidem." Allein am Montag waren 7000 syrische Flüchtlinge von Griechenland aus ins Nachbarland weiter gezogen.

EU-Kommission rügt Dänemark

Die EU-Kommission kritisierte unterdessen, dass Dänemark seine Grenze zu Deutschland vorübergehend geschlossen hatte. Dies sei nicht die Zeit für Einzelmaßnahmen, sagt eine Sprecherin. Der Verkehr über die Autobahn A7 bei Flensburg wurde indes wieder freigegeben. Auch Nahverkehrszüge fuhren wieder. Fernzüge fielen aber auch am Donnerstag aus.

Am Mittwoch hatten dänische Behörden Züge mit Flüchtlingen an Bord an den Grenzen gestoppt. Viele der Migranten setzten den Weg zu Fuß auf der Autobahn fort. Die Polizei erklärte, von Sonntag bis Mittwoch seien 3000 Ausländer in Dänemark angekommen. Die meisten Flüchtlinge wollen nach Schweden weiterreisen, das für eine liberalere Asylpolitik bekannt ist.

Bewegung in Diskussion um Quote

Die EU-Kommission zeigte sich optimistisch, dass es eine Einigung auf eine europaweite Verteilung von Flüchtlingen geben wird. "Es gibt Bewegung in der Diskussion", sagte der Leiter der EU-Vertretung in Berlin, Richard Kühnel. Vor dem Treffen der Innenminister am Montag gebe es positive Signale etwa aus Spanien, Polen und den baltischen Staaten. "Wir sind optimistisch, für die Neuregelung eine qualifizierte Mehrheit im Rat zu bekommen."

Die aktuelle Notaufnahme Tausender Flüchtlinge in Deutschland wird in dem EU-Vorschlag zur Umverteilung von weiteren 120.000 Asylsuchenden aber nicht berücksichtigt. Bei der Berechnung der Quoten habe neben Faktoren wie der Wirtschaftskraft lediglich die durchschnittliche Zahl der Asylanträge in den Jahren 2010 bis 2014 eine Rolle gespielt, sagte ein ranghoher Mitarbeiter der EU-Kommission am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Wenn die Bundesregierung darauf bestehe, seien Änderungen allerdings nicht ausgeschlossen. Die endgültige Entscheidung liege beim EU-Ministerrat. Denkbar wäre nach Angaben des Mitarbeiters, bei der Berechnung der Quoten auch die Asylbewerberzahlen der ersten neun Monate dieses Jahres zu berücksichtigen. Nach Zahlen des Bundesinnenministeriums wurden in Deutschland allein in den ersten acht Monaten des Jahres 413.000 Flüchtlinge registriert.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) reist am Freitag zu Gesprächen über die europäische Flüchtlingspolitik nach Tschechien. Wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte, will Steinmeier dort neben dem tschechischen Außenminister Lubomír Zaorálek auch die Ressortchefs aus Ungarn, der Slowakei und Polen treffen. Während Deutschland und andere Länder auf eine gleichmäßigere Verteilung von Flüchtlingen in der EU drängt, lehnen die vier osteuropäischen Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe dies bislang ab. An dem Treffen wird den Angaben zufolge auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn teilnehmen.

chr/stu (rtr, dpa)