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Tango und Tränen, Fleisch und Flüchtlinge

Wim Abbink29. Juni 2006

Egal, wer das Viertelfinalspiel zwischen Argentinien und Deutschland am Freitag gewinnen wird - die Südamerikaner müssen dem Land des WM-Gastgebers eigentlich ewig dankbar sein.

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Bild: AP

Was wäre das nationale argentinische Heiligtum, der Tango, ohne einen gewissen Herrn Heinrich Band aus Krefeld: Dieser erfand vor rund 150 Jahren das Bandoneon, das wie kein anderes Instrument mit dem Tango verbunden ist. Und bei Tango wiederum denken wohl die meisten Deutschen automatisch an Argentinien.

Ansonsten haben die Deutschen und die Argentinier vor allem eine "fleischliche" Beziehung: Deutschland ist der größte Abnehmer für argentinisches Rindfleisch innerhalb der EU. Rund 23 Prozent der Exporte von Argentinien nach Deutschland bestehen nach Angaben des Auswärtigen Amtes aus Fleisch und Fleischwaren - aber auch rund 30 Prozent des von Deutschland importierten Honigs kommen aus dem südamerikanischen Land. Umgekehrt importieren die Argentinier aus Deutschland traditionell vor allem industrielle Erzeugnisse, insbesondere Maschinen, Fahrzeuge und Fahrzeugteile, sowie pharmazeutische und chemische Erzeugnisse.

Einwanderung - und Auswanderung

Rund 500.000 der 36,7 Millionen Argentinier haben deutsche Wurzeln. Wie viele Deutsche in Argentinien einwanderten, ist nicht bekannt, man weiß aber aus Aufzeichnungen über Schiffspassagiere, dass zwischen etwa 1860 und 1939 am Hafen von Buenos Aires 203.000 Deutsche ankamen, die zunächst vor allem aus wirtschaftlichen Gründen auswanderten. Später während des Nazi-Regimes immigrierten dann noch einmal rund 45.000 Juden und politisch Verfolgte.

Doch nicht nur Opfer aus Hitler-Deutschland flohen nach Argentinien - zu den dunklen Kapiteln in der Beziehung der beiden Ländern gehört die Aufnahme zahlreicher Nazi-Verbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg unter Präsident Juan Domingo Peron. Prominenteste Beispiele sind der KZ-Arzt Josef Mengele und der für die "Endlösung" zuständige NS-Verbrecher Adolf Eichmann. In der dunklen Zeit der argentinischen Militärdiktatur 1976 bis 1983 flohen wiederum Argentinier nach Deutschland - mit einer der Gründe dafür, dass heute rund 10.000 Argentinier in Deutschland leben.

Argentinien: Juan Peron und seine Ehefrau Eva Peron, Unabhängigkeitstag
Juan und Evita Peron 1950 am argentinischen UnabhängigkeitstagBild: AP

Reich an Tränen: Evita und Diego

Mit dem Namen Peron verbinden viele Deutsche allerdings vor allem eines: Die unsterbliche, aber nicht unumstrittene Evita, die es als First Lady Argentiniens zum weltweiten Mythos schaffte und ein eigenes Musical für sich reklamieren kann. Noch heute treten nicht nur Madonna, die es sich nicht nehmen ließ, als Film-Evita aufzutreten, Tränen in die Augen, wenn der Lloyd-Webber-Evergreen "Don't cry for me, Argentina" erklingt.

Ein weiterer Mythos aus Argentinien ist natürlich Diego Maradona - "die Hand Gottes". Mit Deutschland verbinden ihn dramatische Erinnerungen: Während seine Mannschaft bei der WM 1986 im Finale in Mexiko Deutschland schlug, musste er sich vier Jahre später im Finale von Rom weinend den Deutschen geschlagen geben. Nun jagt Maradona in Deutschland von einem Argentinien-Spiel zum nächsten und wird sicher auch beim spektakulären Viertelfinale dabei sein. Vielleicht wird seine Mannschaft danach "Wein' nicht um mich, Argentinien" anstimmen müssen - und der kleine große Held wieder weinen.

Fußball, WM 2006, Argentinien gegen Serbien Montenegro, Diego Maradona, 16.06.2006
Diego Armando Maradona als WM-Tourist 2006Bild: AP