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Tanga-Tanzen verboten!

Udo Bauer2. Mai 2002

Über die puritanische Sexualmoral in den USA machen sich Europäer oft lustig, die Amerikaner aber bleiben überzeugt zugeknöpft. DW-TV-Korrespondent Udo Bauer über eine absurde Unterwäsche-Kontrolle an einer US-Schule.

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Die Rancho Bernardo High School hatte zum Tanz geladen. Für die Schüler aus dem langweiligen Vorort von San Diego ein Ereignis, auf das sie sich das ganze Jahr freuen, für das sie sich richtig rausputzen. Damit das mit dem Rausputzen nicht Überhand nimmt, dafür sorgte die stellvertretende Schulleiterin - auf ihre Weise. Mädchen mit besonders kurzen Röcken oder trägerlosen T-Shirts wurden vor den Augen schlangestehender Mitschüler, Lehrer und des obligatorischen Wachpersonals ausführlich gecheckt. Die Lehrerin lupfte die Röcke und griff in die T-Shirts. Wer mit einem modernen String-Tanga oder ohne BH erwischt wurde, der musste nach Hause gehen. Viele der derart entblößten Mädchen liefen weinend zu ihren Eltern.

Schlüpfrige Story

Die Geschichte wäre wahrscheinlich nicht sonderlich beachtet worden, wenn nicht die Eltern einiger Schüler Krach geschlagen und die Entlassung der sittenstrengen Lehrerin gefordert hätten. So wurden die US-Medien auf diese schön schlüpfrige Story aufmerksam, und einen Tag später trat sie eine Talkshow des Nachrichtensenders CNN genüsslich breit. Wurden hier nicht die Persönlichkeitsrechte der Kinder verletzt? Wer ist verantwortlich für "angemessene" Kleidung von Teenagern, das Elternhaus oder die Schule? Wollte die Lehrerin die Mädchen erziehen oder demütigen oder gar sexuell belästigen? Mit solch politisch korrekten Fragen langweilte die Moderatorin ihr Publikum, das eigentlich nur an noch mehr schmutzigen Details interessiert war.

"Bible Belt" und Britney Spears

Eine betroffene Mutter wurde interviewt. Sie demonstrierte anhand der Kleidung ihrer Tochter, dass diese eigentlich dem Dresscode entsprochen habe. Klar, das trägerlose Oberteil sei schon ein wenig transparent, aber sie schwöre, dass man durch den BH darunter keinen "Nippel" gesehen habe. Eine Anruferin aus dem konservativen 'Bible Belt' belehrte die Moderatorin, dass es auch zu ihrer Schulzeit eine Kleiderordnung gegeben habe, an die sich alle gehalten haben; die Länge der Röcke war damals wie heute vorgeschrieben, und das sei gut so. Ein männlicher Anrufer lässt wissen, man brauche sich ja nicht zu wundern, wie die Girls heutzutage rumlaufen, wenn ihr großes Vorbild Britney Spears mit ihren nuttigen Outfits Millionen mache. Durch ein eingeblendetes Schriftband erfährt der Zuschauer nebenbei wirtschaftliche Fakten: 2,7 Milliarden Dollar setzt die Unterwäsche-Industrie pro Jahr in den USA um.

Verklemmung ist Trumpf

Einziger Lichtblick in dieser verklemmten Informationsflut war die Äußerung eines 16- oder 17jaehrigen Mädchens aus dem Publikum der Talkshow: "Es kommt nicht darauf an, was Du trägst, sondern wie Du Dich darin benimmst!" Doch die Frage, die ich mir die ganze Zeit gestellt habe, wurde nicht beantwortet, nämlich: Warum waren die Eltern eigentlich so empört über das Verhalten der Lehrerin? Weil sie sich als Wächterin überholter Sitten geriert hat oder weil fremde Männer die privaten Teile ihrer Töchter gesehen haben? Aber eigentlich wollte ich nur noch beten: O Herr, lass Oswald Kolles vom Himmel regnen!