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Talk: „Ich staune darüber, wie kompliziert die Natur ist.“

9. Juli 2012

Wir reden mit ihm über seine Arbeiten zur Erforschung der Photosynthese und über die Frage, warum die Natur dem menschlichen Erfindergeist so deutlich überlegen ist.

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DW: Auf dem Nobelpreisträgertreffen in Lindau wurde die Nachricht heiss diskutiert. Das Higgs-Teilchen ist höchstwahrscheinlich nachgewiesen worden. Gibt es in der Biologie einen Nachweis oder eine mögliche Entdeckung mit ähnlicher Bedeutung?

Michel: Natürlich, das größte Problem ist zu verstehen, was wir verstehen können. Das geht dann in die Hirnforschung. Das ist ja auch Biologie. Ein System, das sich selber versteht, ob das überhaupt theoretisch machbar ist, ist eine große Frage.

Staunen Sie heute eigentlich manchmal immer noch darüber, wie raffiniert die Natur das eingefädelt hat mit der Photosynthese?

Nicht nur raffiniert. Ich staune darüber, wie kompliziert das ist und wie gut wir sind, dass wird das alles herausbringen können.

Das heißt, die Technik oder die Wissenschaft kann sich über die Natur erheben?

Ich würde das niedriger formulieren und würde sagen, wir sind in der Lage, die Systeme zu erforschen und zu verstehen.

Und vielleicht eines Tages auch nachzubauen?

Die Frage ist, warum man nachbauen soll. Es reicht, das Ganze zu verstehen. Die organische Chemie wollte auch immer alles nachsynthetisieren, aber inzwischen ist man davon weg. Man ist zufrieden, wenn man das Ganze versteht. Aber man muss natürlich aus dem Verstehen weiterführende Schlussfolgerungen ziehen, weiterführende Experimente entwickeln und dadurch die Beobachtungen praktisch verifizieren.

Gut, das Nachbauen könnte uns interessieren, weil es die Natur mit der Photosynthese schafft, die Energie der Sonne so toll zu ernten. Nun schwebt der Politik Ähnliches vor, dass wir bei unsere Energieerzeugung ganz auf regenerative Prozesse setzen. Wird uns das gelingen?

Nicht mit Hilfe der Photosynthese. Wir verstehen die Photosynthese so weit, dass wir sagen können, es ist ein sehr ineffizienter Prozess. Da sind viel zu viele Schritte involviert. Und dann beinhaltet das Ganze ja Proteine, lebendige Materialien. Die sind alle nicht stabil, gehen kaputt während der Photosynthesereaktion, und müssen repariert werden. Wir werden es nie schaffen, dass wir diese technischen Systeme dann reparieren können, wenn sie Schäden durch das Licht und den Sauerstoff erleiden.

Das heißt, die Empfehlung wäre nicht, die Natur zu kopieren, sondern sich eher inspirieren zu lassen zu neuen technischen Systemen, die Ähnliches machen?

O ja, wir haben Systeme, die sind besser als die Natur. Photovoltaische Zellen sind stabiler und haben eine viel längere Lebensdauer. Die Schätzung heute, fast schon eine Garantie, ist, dass so eine Photovoltaikzelle 20 Jahre Strom produziert. Und wenn sie 50 Jahre ihren Strom produziert, dann ist das auch keine Überraschung.

Wie finden Sie eigentlich das Nobelpreisträgertreffen? Sie sind ja, glaube ich, schon Dutzende Male hier gewesen?

Nicht Dutzende, aber es müsste etwa 20 Mal gewesen sein.

Kann man sich hier auch zu ganz neuen Ideen inspirieren lassen?

Man bekommt natürlich schon neue Sichtweisen, wenn man mit den Kollegen von anderen Feldern redet. Da gibt es natürlich schon gewisse Denkanstösse. Aber sagen wir mal so, konkrete Kollaborationen, Experimente haben sich bisher daraus nicht ergeben.

Aber die Stimmung ist einmalig?

Die Stimmung ist sehr schön, die Umgebung ist einmalig. Der Austausch mit den Studenten ist förderlich. Ich hoffe, die Studenten profitieren davon. Aber da müssen Sie die Studenten fragen. Ich will nicht für die Studenten sprechen.

(Interview: Ingolf Baur).